AUSZEIT. VON PAUSEN UND MOMENTEN DES AUFBRUCHS
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Ausstellung17.04.2021 - 15.08.2021
Nahezu jeder Mensch kennt das Bedürfnis nach einer selbstbestimmten Auszeit. Im Allge- meinen steht eine ›Auszeit‹ für einen temporäreren Ausstieg aus dem kontinuierlichen Zeit- management und charakterisiert eine Zeitspanne, die nicht primär von der objektiven Zeit- messung, sondern dem persönlichen Zeitempfinden geprägt ist. Die internationale Gruppen- ausstellung »Auszeit. Von Pausen und Momenten des Aufbruchs« versteht sich als Einla- dung, um – vor dem Hintergrund einer sich zunehmend beschleunigenden Gesellschaft, die sich aktuell im Ausnahmezustand befindet – über die Bedeutungsebenen und Potenziale ei- ner Auszeit nachzudenken.
In den vier Ausstellungskapiteln »Freizeitidyll: von Alltagsfluchten und Orten der Aus- zeit«, »Why work? Vom Wert der Auszeit«, »Wahrnehmungsverschiebungen: Zum Ei- gensinn der Kunst« und »How to Be in the Moment? Von Präsenzerfahrungen und Strategien der Entschleunigung« wird den Fragen nachgegangen, welche Formen die Auszeit annehmen und welche Funktionen sie erfüllen kann. Die Werke verdeutlichen die ge- nussvollen wie janusköpfigen Elemente des Freizeit- und Vergnügungsgeschehens und stel- len kritisch wie humorvoll die Taktung einer Leistungsgesellschaft in Frage. »Auszeit. Von Pausen und Momenten des Aufbruchs« schlägt einen Bogen von Werken der 1910er-Jahre bis in die Gegenwart und verweist aus der Perspektive der Kunst auf den mehrdeutigen Charakter einer Auszeit. So kann dem Pausieren das Potenzial für einen Auf- bruch innewohnen oder ein Ausbruch aus der Betriebsamkeit eine Form der Verweigerung sein.
Fotografien von Barbara Klemm (*1939 DE), die das Picknicken in ver- schiedensten Kulturkreisen in den Mittelpunkt rücken. Grace Weavers (*1989 US) großfor- matige Gemälde lenken hingegen den Blick auf das für ihre eigene Generation charakteristi- sche Freizeitverhalten. Mit einer Mischung aus Amüsement und selbstoptimierendem Kör- perkult demonstrieren die Figurenensembles wertfrei und unbeschwert eine Doppelbödigkeit der kleinen Momente zwischen Genuss und Kommerz.
Neben dem Aufbruch in die Natur entfalteten sich aufkeimende Freiheiten Anfang des 20. Jahrhunderts insbesondere in der Nacht. Im städtischen Umfeld waren es die Cafés und Bühnen, die Ernst Ludwig Kirchners (1880–1938 DE) Aufmerksamkeit auf sich zogen. Seine Arbeiten zeugen von ausgelassenen Abendstunden, die die Lebensschwere in der ge- sellschaftlich aufgeheizten Stimmung im Berlin der Jahre 1913/14 Jahre vergessen ließen. Zehn Jahre später fand Otto Dix (1891–1969 DE) ebenfalls auf nächtlichen Ausflügen seine Bildmotive und blickte auf die Nöte der nach dem Krieg in prekäre Verhältnisse geratenen Frauen auf der Straße und in den Bordellen. Dass das pulsierende Nachtleben zweifelsohne zu den vielfältigen Ausdrucksformen einer Auszeit gehört, lässt sich an Mark Leckeys Das überdimensionierte Stoffkaninchen von Cosima von Bonin (*1962 KE) liegt hingegen 
Bereits die expressionistischen Werke der Künstlergruppe »Brücke« (1905–1913) im ersten Ausstellungsteil »Freizeitidyll: von Alltagsfluchten und Orten der Auszeit« ver- sinnbildlichen Auszeiten des Vergnügens und des Aufbegehrens. Die Darstellungen der Aus- flüge in die Natur zu Beginn des 20. Jahrhunderts – wie das Nacktbaden an den Moritzbur- ger Teichen – zeugen sowohl von der erholsamen Pause als auch von der kompromisslosen künstlerischen Entfaltung und dem Entwurf einer utopischen Gegenwelt zur fortschrittsorien- tierten, reglementierten Gesellschaft im Wilhelminismus. Eine Auszeit im Freien veranschau- lichen auch die (*1964 UK) legendärem Film Fiorucci Made Me Hardcore (1999) aus gefundenem Material nachvollziehen, einer Hommage an die britische Clubkultur seit den 1970er-Jahren.
Techno-Beats hörend schlaff auf einem Tisch und trägt – wie eine Parole – die Buchstaben SLOTH (Trägheit, Faulheit, Faultier) auf den Pfoten. Von Bonin, die in zahlreichen ihrer Ar- beiten das ›Recht auf Müßiggang‹ einfordert, vereint in Purple Kikoy Sloth Rabbit (2010) die verschiedenen Pole einer Auszeit, die vom rasenden Rausch bis zur absoluten Erschöpfung reichen kann.
Die heutzutage übliche Einteilung in Frei- und Arbeitszeit verdeutlicht, dass der Begriff Frei- zeit als eine Form der Auszeit untrennbar an den Begriff Arbeitszeit gebunden ist. Ausge- hend von der Maxime »Ne travaillez jamais« (»Arbeitet nie«) der Mitglieder der Situationisti- schen Internationale, einer antikapitalistischen, antibürgerlichen Bewegung linksorientierter Intellektueller (1957–1972), der auch Künstler der in der Sammlung Selinka vertretenen Künstlergruppen CoBrA und SPUR kurzzeitig angehörten, stellen die künstlerischen Positio- nen des nächsten Ausstellungsteils »Why work? Vom Wert der Auszeit« die Auszeit als Antipol zum Konzept der Arbeit ins Zentrum. Mit der Aufforderung »Arbeitet nie« setzt die Si- tuationistische Internationale zum Schlag gegen die Berufstätigkeit (»entfremdete Arbeit«, Karl Marx) an und erhebt die Selbstermächtigung als Bestimmungsmerkmal des Tuns zum Ausdruck ihrer Lebenshaltung.
Mladen Stilinović erhebt beispielsweise den Müßiggang in seinen Arbeiten zu einer Haltung, die das Nichtstun als Bedingung der Kunst einfordert, oder Yoko Ono (*1933 JP) und John Lennon (1940–1980 GB) führen mit den Bed-Ins for Peace (1969) vor Augen, wie sich das Liegenbleiben zur Geste des Protests wandeln kann.
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17.04.2021 - 15.08.2021
Di bis So 11-18 Uhr (ab 1.1.2021 Di 14-18 Uhr)
Do 11-19 Uhr
montags geschlossen, außer feiertags