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Augenblick und Dauer im Werk von Horst Gläsker

Horst Gläsker macht seit gut 50 Jahren Kunst. Seine Kunst ist eng verbunden mit dem Leben, er arbeitet in mehreren Disziplinen, wobei am wichtigsten einerseits die Malerei und andererseits die Musik ist. Beide Disziplinen hängen eng miteinander zusammen, das verbindende Element ist der Rhythmus. Am Anfang des 20. Jahrhunderts beschrieb der moderne Komponist Igor Strawinsky die Musik als eine Disziplin, deren Aufgabe darin bestehe, die Zeit zu ordnen, und damit beschrieb er die entscheidende Rolle, die der Rhythmus in unserer Kultur spielt. Rhythmus gehört untrennbar zum Leben. Ohne Rhythmus gibt es weder Struktur noch Orientierung. Rhythmus organisiert die unerbittlich vergehende Zeit. Jede Äußerung ist auch eine rhythmische – gleich ob sie sprachlich, schriftlich, choreographisch, musikalisch oder bildnerisch ist. Die Reflektion und die kreative Manipulation dieser elementaren Lebenstatsache können wir als eine der wesentlichen Grundlagen menschlicher Kultur betrachten. Dieser Vorgang der Reflektion und des Umgangs mit dem Rhythmus des Lebens eröffnet auch eine spirituelle Dimension. Rhythmus und Ritual hängen ebenso eng zusammen wie Rhythmus und Leben. Rituale leben von Wiederholungen, rhythmische Akzentuierung und Steigerung bis zu einer Klimax. Die sprachliche Form des Rituals, das Gebet, entspricht dieser Struktur. Wiederholung von Formeln ist Selbstvergewisserung und Intensivierung der Lebenserfahrung. In Tanz und Musik wird diese Erfahrung körperlich spürbar; Tanz, Lied und Gebet folgen denselben Regeln. Menschliche Gesellschaften brauchen Formen, die ihr Zusammenleben definieren, ihm Struktur und Sicherheit geben. Rituale sind solche Formen, und diejenigen, die diese Rituale erfinden, prägen und kontrollieren, nennen wir Ritualexperten, Magier, Priester – oder Künstler.

Horst Gläsker ist so ein Künstler. Sein formal vielseitiges Werk hat unserer Kultur immer neue Varianten struktureller, lebender Möglichkeiten geschenkt, unsere Wirklichkeit neu zu erfahren und ein Gefühl dafür zu entwickeln, was unser Leben antreibt und wie wir uns in ihm orientieren können. In den vergangenen Jahrzehnten seiner künstlerischen Aktivität hat Horst Gläsker eine erhebliche Bandbreite formaler und thematischer Möglichkeiten kreativen Handelns praktiziert und ausgelotet, die von frei improvisierter Musik bis zu figurativer Landschafts- und Porträtmalerei reichten und sich im Verlauf der Jahre zu einer konsequent bildnerischen Tätigkeit entwickelt hat, die buchstäblich alle Register zwischen Zufall und Kalkulation ziehen kann. Horst Gläsker ist Maler und Musiker. In beiden Medien feiert er das Leben – seine Malerei zeigt stets ein gestisches, aktionistisches Moment, in der sich eine wechselseitige Abhängigkeit von Inspiration und systematischer, handwerklicher Arbeit zeigt. Ganz am Beginn seiner Entwicklung als Maler steht 1976 ein längerer Italienaufenthalt, während dessen er realistische Porträts malt und die Funktionsweise der Luftperspektive in der Landschaftsmalerei untersucht. Für seine spätere abstrakte Malerei war diese Analyse von großer Bedeutung, vermittelte sie ihm doch ein tiefes Verständnis für das Potenzial der Farbe als Quelle tiefer Bildräume und mehrfach geschichteter Bildebenen, die spannungsvoll gegeneinander gesetzt werden können.

Zurück in Düsseldorf arbeitete er an der Akademie mit ungewöhnlichen Bildträgern – großen Orientteppichen, die er auf dem Flohmarkt fand und deren komplexe, meist starre Muster er durch Übermalungen akzentuierte und in eine lebendige Ornamentik überführte. Sein Lehrer Gerhard Richter war nicht überzeugt, aber dessen Lehrer Karl Otto Götz, zu dem Gläsker wechselte, ermunterte den jungen Künstler. Schon in diesen frühen Arbeiten Gläskers zeigt sich die enge Verbindung seiner musikalischen Tätigkeit mit der Malerei – Muster und Ornament sind strukturell verwandt mit rhythmischen patterns in der Musik. Die von Gläsker aus den starren Mustern entwickelte, lebendige Ornamentik erfüllt eine ähnliche Rolle wie die Synkope oder die „Blue Note“ in der Musik. Wie diese den „swing“ in die treibende Rhythmik der Musik brachte, so belebte Gläsker die Muster seiner Teppiche. Horst Gläsker spielte zur selben Zeit Saxophon und verschiedene Perkussionsinstrumente, wobei er stets improvisierte und weniger vorgegebene Kompositionsstrukturen nachbildete. Seine Improvisationsbegabung machte ihn zu einem gefragten Musiker für Rockbands, denn er konnte zahlreiche Stücke mit seinen frei gespielten Soli bereichern und gleichzeitig starke rhythmische Akzente setzen. Diese improvisatorische Freiheit übernahm Gläsker aus der Musik in die bildende Kunst. Seine zu lebendigen Ornamentfeldern mutierten Teppiche wurden ähnlich treibend und dynamisch wie der synkopierte Rhythmus einer auf den afrikanischen Wurzeln des Jazz fußenden Musik, die der Künstler selbst so schätzte und praktizierte.








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  • Horst Gläsker LEBENDE BILDER im Gasteig-Theater München GRENZGÄNGE 1990 Foto Florian Schreiber
    Horst Gläsker LEBENDE BILDER im Gasteig-Theater München GRENZGÄNGE 1990 Foto Florian Schreiber
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