Augenblick und Dauer im Werk von Horst Gläsker
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Ausstellung29.09.2019
Bands wie die Gruppe Can, die auch in der Gestaltung ihrer Cover hinsichtlich von Farbe und Form motivische Parallelen zu Gläskers Arbeiten aufwiesen, belegen, dass auch in der Rockmusik an ähnlichen Problemen gearbeitet wurde – Serielle Formen, hypnotische Rhythmen in teils sehr lang ausgespielten Stücken zeigen, dass auch in der avantgardistischen Musik der späten 1970er-Jahre das Verhältnis zwischen Monotonie und Improvisation eine wichtige Rolle spielte. Die Produktion von Can zwischen 1974 und 1977 (Soon over Babaluma, Landed, Flow Motion, Unlimited Edition und Saw Delight) ist wie der Soundtrack zu Gläskers Kunst jener Jahre zu hören. 1980 konnte Horst Gläsker seine Teppiche zusammen mit Klangskulpturen in einer Einzelausstellung im Wuppertaler Von der Heydt-Museum präsentieren, und er nahm an der wichtigen Gruppenausstellung „Les Nouveaux Fauves“ in der Neuen Galerie – Sammlung Ludwig in Aachen teil, in der die Kunst einer ganzen Generation Anfang dieses Jahrzehnts definiert wurde. Zwischen der amerikanischen Pattern and Decoration-Malerei, der italienischen arte cifra und der besonders im deutschsprachigen Raum entstehenden „neuen Wilden“ Malerei war Horst Gläsker absolut auf der Höhe der Zeit. Dabei ließ er sich keinem Stil und keiner Gruppe zuordnen, seine Arbeit war völlig eigenständig, und besonders die sog. Tischkonzerte und die aufwendigen Klangskulpturen waren in der bildenden Kunst einmalig. Seine Kunst bleibt bis heute herausfordernd und ihr fehlt auch jede Fixierbarkeit auf modische Trends oder Stilmerkmale. In der Haltung vergleichbar schien eine Jazzband aus Chicago mit dem Namen Art Ensemble of Chicago, die seit den frühen 1970er-Jahren aktiv war und ab 1978 mit dem deutschen Label ECM zusammenarbeitete. 1980, im selben Jahr, in dem Horst Gläsker durch seine Performances Furore machte, in denen er wie ein außereuropäischer Exot kostümiert seine rhythmischen Improvisationen aufführte, trat das Art Ensemble of Chicago im Amerika-Haus in München auf und spielte das Doppelalbum Urban Bushmen ein. Die fünf Musiker spielten eine Vielzahl von Instrumenten – Joseph Jarman: verschiedene Saxophone, Klarinette, Congas, Vocals; Roscoe Mitchell: Saxophone, Klarinette, Flöten; Malachi Favors Maghostut: Bass, Percussion, Melodica, Vocals; Famoudou Don Moye: Schlagzeug und verschiedenste Perkussionsinstrumente, und schließlich Lester Bowie: Trompete, Basstrommel, Horn und Vocals. Die Musiker traten in afrikanischer Kleidung mit Gesichtsbemalung auf, ihre Musik changierte zwischen freier Improvisation und traditioneller, rhythmischer Marschmusik, die aus dem frühen Jazz in New Orleans bekannt war. Das Art Ensemble begreift seine Musik als Mittler zwischen archaischer und moderner Welt unter dem Credo „Black Music – ancient to the future“.
Horst Gläsker steht ganz ähnlich zwischen dem Archaischen und der Moderne. Er schöpft seine Bildideen aus antiken und außereuropäischen Quellen, und er setzt seinen Körper ein, um den Rhythmus des Lebens zum Ausdruck zu bringen. Dabei hat er stets darauf geachtet, dass die Bilder vielschichtig bleiben und dass der Widerspruch zwischen Zufall und Kontrolle nie verlorengeht. Die Bilder von Horst Gläsker überzeugen gerade durch den Kontrast von scheinbar müheloser, fließender Bewegung und der Starre eines Kompositionssystems, hinter oder vor dem sich die Aktion ereignet. Horst Gläsker kontrolliert den Zufall seiner Aktionen, ohne ihn zu domestizieren. Seine Pinseltanzbilder ebenso wie seine großformatigen Hinterglasbilder sind gleichzeitig virtuos und mit größter Sorgfalt kontrolliert. Dies scheint nur auf den ersten Blick widersprüchlich zu sein, bei genauer Analyse zeigt sich, dass die exakte Vorgehensweise, die sorgfältige Ausführung und Wiederholung spontan gesetzter Gesten erst sichtbar macht, mit welcher Intensität sich die choreographische Malerei von Horst Gläsker vollzieht. Der Künstler setzt einen Rhythmus in die Welt, und dieser manifestiert sich in vielfältiger Form – direkt, aber vergänglich in der Performance, und genau dokumentiert und bewahrt in der Malerei. Bewegung und Stillstand hängen zusammen, und Horst Gläskers Werk verkörpert diese Erkenntnis hervorragend. Bewegung ereignet sich im Raum, und deshalb ist es nur konsequent, dass der Künstler sich nie auf die Bildfläche beschränkt hat. Horst Gläskers Kunst besetzt Zeit und Raum, so wie das Leben sich in Zeit und Raum ereignet. Seine Kunst schärft unser Bewusstsein für diese Tatsache, sie macht aber auch klar, dass das Leben vergeht, und die Kunst der durchaus angstbesetzte Versuch des Menschen ist, etwas gegen die Unerbittlichkeit der Zeit zu setzen – der Zeit, die durch Musik geordnet erscheint, und die vom Rhythmus strukturiert wird. Wenn der Rhythmus swingt, fällt die Unerbittlichkeit der vergehenden Zeit nicht so auf. Horst Gläskers rhythmische Kunst leistet genau das.
Kay Heymer, 2. September 2019
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