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Restituieren

Bayerische Staatsgemäldesammlungen restituieren ein Blumenstillleben aus der Werkstatt Jan Brueghels d. Ä.

Restituieren

München, 10.07.2012 | Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen restituieren das Gemälde »Blumenstrauß in einer Tonvase« aus der Werkstatt Jan Brueghel d. Ä. an die Erben des Wiener Kaufmanns Julius Kien.

Bei dem »Blumenstrauß in einer Tonvase« handelt es sich um eine Werkstattreplik nach dem Original von Jan Brueghel d. Ä. in der Prager Nationalgalerie. Es befindet sich seit 1992 in der Sammlung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen (Inv.Nr.15280) und wurde aus der Sammlung Fritz Thyssen erworben. Im Rahmen der Vorbereitungen für die große Brueghel-Ausstellung 2013 ist das Werk in der Alten Pinakothek eingehend untersucht worden. Dabei wurden auf der Rückseite Ausstellungsaufkleber entdeckt, die auf den Bildeigentümer Julius Kien hinweisen.

Die Recherchen des Referats für Provenienzforschung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ergaben, dass Julius Kien das Werk aufgrund seiner Verfolgung als Jude in Österreich und infolge von Unrechtsmaßnahmen des Naziregimes 1938 verkaufen musste. Das Bild wurde heute an die rechtmäßigen Eigentümer, die Jerusalemer Neurobiologin Jennifer Kien (*1948), eine Enkelin von Julius Kien, stellvertretend für die Erbengemeinschaft, übergeben.

Kunstminister Wolfgang Heubisch betont: »Es ist uns ein großes Anliegen, während der NS-Zeit zu Unrecht erworbene Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen stellen sich dieser Verantwortung auf vorbildliche Weise und räumen der Provenienzforschung großes Gewicht ein. In diesem Zusammenhang freue ich mich insbesondere, dass es im vergangenen Jahr aufgrund eines gemeinsamen Beschlusses aller Parteien im Bayerischen Landtag gelungen ist, dass NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut noch einfacher restituiert werden kann.«

Julius Kien – Flucht und Enteignung

Der Wiener Kaufmann Julius Kien (*1868 in Ung. Ostra/Czechoslovakei; † 1949 in Sydney/Australien), war Inhaber der Handelsfirma Julius Kien & Co in Wien. Mit seiner Frau Adele Kien, geb. Fischl, hatte er drei Kinder, Hedwig Spiegel, (1903-1985), Walter Kien (*1900) und Josef Friedrich Kien (1904-1998), der Vater von Jennifer Kien.

Julius Kien war seit mindestens 1930 Eigentümer des Bildes. Den Akten des Bundesdenkmalamtes in Wien nach wollte Julius Kien das Gemälde sowie ein weiteres Werk im März 1938 nach London ausführen. Am 12.03. wurde Österreich von Hitler-Deutschland annektiert, sodass Kiens Antrag im April storniert wurde und der Transport nicht zustande kam.

Julius Kien war gezwungen, sein Vermögen offen zu legen. Im »Verzeichnis über das Vermögen von Juden nach dem Stand vom 27. April 1938« gab Kien Kunstgegenstände und Bilder an. Im August und September 1938 berichtete Kien der Vermögensstelle, dass er diverse Kunstwerke an die Kunsthandlung Hinrichsen in Berlin verkauft habe, darunter auch das Bild »Blumenstrauß in einer Tonvase«. Dort wurde es von Fritz Thyssen erworben.

Am 20.3.1939 erging der Reichsfluchtsteuerbescheid für Julius Kien; drei Tage später wanderte er über die Schweiz und London nach Australien aus. Die Nazis erklärten ihn am 30. Juli 1942 für staatenlos und konfiszierten sein verbleibendes Vermögen, das in Reichsbesitz überging.

Die Sammlung Thyssen

Die Nationalsozialisten beschlagnahmten die Sammlung von Fritz Thyssen im Oktober 1939 und lagerten die Werke, darunter das Blumenstillleben, im darauffolgenden Jahr im Rheinischen Landesmuseum Bonn und im Museum Folkwang in Essen ein. Fritz Thyssen und seine Ehefrau wurden am 21.12.1940 in Frankreich verhaftet und an Deutschland ausgeliefert, wo die Nationalsozialisten sie in verschiedenen Konzentrationslagern internierten. Amerikanische Truppen befreiten das Ehepaar im Mai 1945 beim Marsch in die Alpen, klagten Fritz Thyssen als Unterstützer der NSDAP an und inhaftierten ihn. 1948 begann sein Entnazifizierungsverfahren, das 1950 mit einem Vergleich endete. Fritz Thyssen starb 1951 in Buenos Aires.

Erst nach seinem Tod konnten die Kunstwerke an seine Frau Amelie und Tochter Anita zurückgegeben werden. Der Freistaat Bayern schloss 1987 mit Anita Amélie Gräfin Zichy-Thyssen einen Vertrag über den Erwerb der Kunstsammlung von Fritz Thyssen. 1992 gingen 21 Gemälde aus der Sammlung in das Inventar und die Sammlung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ein, darunter auch das Gemälde »Blumenstrauß in einer Tonvase«.

Die Washingtoner Erklärung

Auf Grundlage der Washington Principles vom 03.12.1998 und der »Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz« vom Dezember 1999, sind die deutschen Museen aufgefordert, ihre Bestände nach NS-Raubkunst zu durchsuchen. Die Rückgabe basiert auf der Anerkennung der selbst verpflichtenden Prinzipien und Grundsätze zur Auffindung und Rückgabe unrechtmäßig während der NS-Zeit entzogener Kunst- und Kulturgüter.

Für die Unterstützung der Recherchen zu Julius Kien und Fritz Thyssen danken die Staatsgemäldesammlungen der Abteilung Restitutionsangelegenheiten (IV/1) beim Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur sowie dem Büro der Kommission für Provenienzforschung in Wien, dem Historischen Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität München, dem Museum Folkwang in Essen und der National Library of Australia, Canberra.

Die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen haben damit aufgrund der »Gemeinsamen Erklärung« seit 1999 bis heute 9 Werke aus ehemals jüdischen Sammlungen restituiert und verfügen über ein eigenes Referat für Provenienzforschung. An dieses sind weitere drittmittelgeförderte Projekte zur Erforschung der Geschichte jüdischer Kunsthändler und -sammler angebunden.








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