Brigitte Kowanz, Erwin Wurm
57. Internationale Kunstausstellung - La Biennale di Venezia 2017
-
Presse11.05.2017
Erwin Wurm ist einer der wenigen Künstler, der die veränderte Raumerfahrung auf die Raumkunst selbst überträgt. Das Automobil ist die zentrale Ursache für die Verschiebung der Bedeutungen von mobil und immobil. Es wird daher zu einem beliebten Ausdrucksmedium von Wurm. Unbewegliche Häuser hingegen können plötzlich fliegen und landen auf einem Hotel bzw. einem Museum. Die Zustände von Mobilität und Immobilität werden variabel. Das gesamte Werk von Wurm spiegelt eine adäquate raumkünstlerische Reaktion auf die Verwandlung der Raumerfahrung von einer körper- in eine maschinenbasierte. Mit seinen One Minute Sculptures, seinen Handlungsanweisungen an das Publikum, die fotografisch dokumentiert werden, hat er allerdings auch bereits das Terrain der medienzentrierten Raumerfahrung betreten.
Vor dem Pavillon steht ein riesiger Truck senkrecht auf dem Kopf, d. h. auf dem Führerhaus, der Motorhaube, immobil. Die begehbare Skulptur von Erwin Wurm, der Aufstieg im Inneren des Trucks auf die Plattform des Trucks, ermöglicht dem Besucher eine dreifache Raumerfahrung: die körperliche, die maschinelle und die mediale. Oben angelangt kann der Besucher ein Selfie machen. Er erfährt die sozial-politische bzw. psycho-politische Dimension jeder Raumerfahrung. Diese psychologische Erfahrung des Raumes kann von der Enge einer Aufzugskabine bis zur Weite einer Wiese reichen und entsprechende Gefühle auslösen, Gefühle der Gefangenschaft und der Freiheit, die soziale Spannungen auslösen und in einem Akt des Horrors explodieren können. Gerade heute sind durch die globalen Migrationsbewegungen die politischen und psychologischen Dimensionen des Raumes aktueller denn je geworden. Der Raum wird nämlich wieder geopolitisch definiert. Es gibt einerseits wieder Grenzen, Zäune und Mauern. Andererseits lebt ein Migrant im grenzenlosen Raum der Informationen, die das Smartphone vermittelt. Deswegen erleben wir in Europa das einzigartige Schauspiel, dass Hunderttausende Menschen europäischen Boden zwar ohne einen Pass, aber mit einem Smartphone betreten, weil dieses Smartphone ihnen hilft, sich durch die Räume bzw. Länder zu bewegen und zu navigieren.
Seitdem Botschaften per Telefon, per Internet, ohne Körper des Boten reisen können, also Zeichen und nicht Körper Räume unsichtbar füllen, ist der physische Raum perforiert, durchlöchert. Der begrenzte Raum entpuppt sich also nur für den Körper als begrenzt. Der Informationsraum ist unbegrenzt. Damit wird auch unser Wohnraum anders. Wir nehmen an Ereignissen teil, bei denen wir körperlich nicht anwesend sind. Auch der Wohnraum ist perforiert. Daher steht im Inneren des österreichischen Pavillons ein durchlöcherter Wohnwagen. Der Wohnwagen ist per se die paradoxe Mischung zwischen Wohnung, also Immobilie, und Auto, also Mobilität. Ein Wohnwagen, der in einem Raum eingesperrt ist, nämlich in einem Pavillon, ist zweckentfremdet. Ein Pavillon ist eben keine Garage. Der Besucher als Performer macht die Erfahrung von Sesshaftigkeit und Nomadentum, von Eingrenzung und Ausgrenzung, von Mobilität und Immobilität. Weil er dies in einem Wohnwagen macht, ist klar, dass diese Erfahrung auch an seine sozialen und psychischen Erfahrungen appelliert.
Wohnung steht für Heim und Heimat, für Familie und Inland. Wagen steht für „on the road“, Reisen zu fremden Menschen und fernen Ländern, für Ausland. Wird das performative Publikum im Österreich-Pavillon zwischen Eingrenzung und Entgrenzung, zwischen Herkunft und Zukunft, zwischen Abreise und Ankunft eine kosmopolitische Erfahrung machen? (Peter Weibel, aus: Biennale-Katalog Erwin Wurm, 2017)
-
13.05.2017 - 26.11.201708. Februar 2017 - Mit Brigitte Kowanz und Erwin Wurm präsentiert Christa Steinle, Kommissärin...
-
1862 Geboren am 14. Juli 1862 als zweites von sieben Kindern des Ehepaares Ernst Klimt (1834-1892...
-
11.05.2017Presse »
Preview-Tage
Dienstag, 9. Mai – Freitag, 12. Mai 2017Dauer der Ausstellung
Samstag, 13. Mai –
Sonntag, 26. November 2017