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Brigitte Kowanz, Erwin Wurm

57. Internationale Kunstausstellung - La Biennale di Venezia 2017

Brigitte Kowanz, Erwin Wurm

11. Mai 2017. Die Kommissärin Christa Steinle entschied sich mit Brigitte Kowanz und Erwin Wurm für zwei künstlerische Positionen, die in mehr als 30 Jahren international bedeutende Beiträge zur Entwicklung eines erweiterten Skulpturenbegriffs geliefert haben, indem sie auf die Veränderungen der maschinen- und medienzentrierten Raumerfahrung in den letzten zweihundert Jahren reagierten.

INFINITY AND BEYOND
BRIGITTE KOWANZ’ BEITRAG FÜR DEN ÖSTERREICH-PAVILLON

In mehr als 30 Jahren kontinuierlicher Arbeit hat Brigitte Kowanz ein eigenständiges künstlerisches Vokabular des Lichts geschaffen. Vokabular ist buchstäblich zu verstehen, denn Brigitte Kowanz setzt Licht als Sprache, als Code ein. Sie arbeitet mit reinem Licht als selbstständiges Medium wie früher die Maler mit reiner Farbe. Sie verwendet Licht um des Lichtes willen. Ein entscheidender Aspekt ihrer Lichtkunst ist der Gebrauch von Sprache, der aus der Erfahrung urbaner Räume und der Begriffsschrift der Konzeptkunst stammt. Ihre Arbeit für den österreichischen Pavillon bei der 57. Interationalen Kunstausstellung – La Biennale di Venezia stellt einen Kulminationspunkt ihres Instrumentariums – die Verwendung von Neonlicht, von Spiegeln, von spiegelnden Metallen, von Schrift, von Code, von Information – dar.

Kowanz ist eine Poetin und Architektin des Lichts. Was ihr Lichtraum bei der Biennale in Venedig vorführt, ist die Verschränkung von physikalischem materiellem Raum und immateriellem virtuellem Raum. Der Körper befindet sich im realen Raum. Gleichzeitig erweitert sich dieser reale Raum durch Spiegel, Zweiwegspiegel, künstliches Licht etc. für den Körper zu einem virtuellen Raum. Die Wörter dirigieren den Besucher in einen konzeptuellen Raum, in einen fiktiven Raum, in einen Denkraum. Sie modelliert bzw. referiert den globalen Datenraum des Internets.

Mit ihrer Lichtraum-Installation, einer Erweiterung ihrer bisherigen Lichtboxen, bietet Brigitte Kowanz nicht nur eine sinnliche Erfahrung, sondern thematisiert auch eine technische Entwicklung, die das menschliche Leben radikal veränderte: das Internet. Deswegen verwendete sie zwei Daten als Grundlage ihrer Arbeit, die sie in Morsezeichen codierte: Erstens 12.03.1989 – dies ist das Datum der Vorstellung des Internets am CERN (Genf) durch Tim Berners-Lee, zweitens 06.08.1991 – dies ist das Datum, an dem die erste Website online ging, an dem also das Internet für die Allgemeinheit zugänglich wurde.

Die Zivilisation befindet sich mehr und mehr in einem Raum jenseits der Schrift. Dieser Raum ist, verglichen mit dem sogenannten Realraum, den uns die Datenverarbeitung der natürlichen Sinnesorgane herstellt, anders geartet. Die neuen elektromagnetischen Medien, von Telefax bis Telefon, von Radio zu TV, haben einen immateriellen elektromagnetischen Datenraum geschaffen, dessen Kulmination das heutige Internet darstellt.

Licht ist immateriell und eine elektromagnetische Welle. Der Morsecode bedient sich der elektromagnetischen Wellen. Die Zeichen des Morsecodes reisen via elektromagnetische Wellen ohne Körper, als reine Zeichen in einem virtuellen Raum. Es ist also von bestechender künstlerischer Konsequenz und logischer Stringenz, Licht und Morsecode zu kombinieren, um gemeinsame wesentliche Eigenschaften hervorzukehren: Immaterialität und Virtualität. Die Morseschrift wird deswegen zu einem Werkprinzip ihres gesamten Oeuvres, weil sich in der Morseschrift, in der Unterbrechung von Signalfolgen, die Zustände der Existenz und Nicht-Existenz, der An- und Abwesenheit, der Realität und Virtualität darstellen. Die Kommunikationsstruktur des elektromagnetischen Zeitalters und der mit ihm verbundenen Raumerfahrung wird offenbar: immaterielle Kommunikation und Mobilität von Botschaften ohne körperliche Boten.

Dieser spiegelnde Lichtraum hat zu Recht den Titel Infinity and Beyond, weil er das Gegenteil einer Black Box darstellt, einen virtuell unendlichen Raum. Wahrscheinlich war das Universum vor dem Big Bang, vor der Entstehung des Lichts genau das, was heute das Universum noch bedroht – ein schwarzes Loch. Black Hole ist jener kosmologische Ort, in dem die Masse implodiert und das Licht verschwindet. Das Universum ist also gewissermaßen der Sieg der Lichtbox über die Black Box. Insofern ist die Lichtinstallation Infinity and Beyond von Brigitte Kowanz ein kosmologisches Modell, eine Miniatur des Universums, von dem wir nur das wissen, was uns das Licht erzählt bzw. zeigt. Die kosmischen Botschaften des Lichts benötigen auch Empfänger. Das Licht ist die Botschaft des Universums und Brigitte Kowanz ist eine Botschafterin des Lichts. (Peter Weibel, aus: Biennale-Katalog Brigitte Kowanz, 2017)

PERFORMATIVE ONE MINUTE SCULPTURES
ERWIN WURMS BEITRAG FÜR DEN ÖSTERREICH-PAVILLON

Es ist die Aufgabe der Skulptur, Raumerfahrungen herzustellen. Allerdings stellt sich die Frage, um welchen Raum handelt es sich, denn die Raumerfahrung hat sich verändert. Die alte Raumerfahrung und somit die klassische Skulptur waren körperzentriert. Die neue Raumerfahrung hingegen ist maschinen- und medienzentriert.






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  • 11.05.2017
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    La Biennale di Venezia »

    Preview-Tage
    Dienstag, 9. Mai – Freitag, 12. Mai 2017

    Dauer der Ausstellung
    Samstag, 13. Mai –
    Sonntag, 26. November 2017



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  • Brigitte Kowanz, Infinity and Beyond, Photo: Tobias Pilz, © Bildrecht, Vienna 2017
    Brigitte Kowanz, Infinity and Beyond, Photo: Tobias Pilz, © Bildrecht, Vienna 2017
    La Biennale di Venezia
  • Erwin Wurm, Stand quiet and look out over the Mediterrean Sea, 2016-2017, Performative One Minute Sculpture, Photo: Eva Würdinger, © Bildrecht, Vienna 2017
    Erwin Wurm, Stand quiet and look out over the Mediterrean Sea, 2016-2017, Performative One Minute Sculpture, Photo: Eva Würdinger, © Bildrecht, Vienna 2017
    La Biennale di Venezia