Lecture
Magritte
Gegen Ende des Jahres 2011 wartet die Albertina mit einem Ausstellungshighlight auf: René Magritte, einer der bekanntesten und beliebtesten Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, wird umfassend gewürdigt. Rund 250 Exponate aus aller Welt und aus allen Stadien seiner künstlerischen Laufbahn werden gezeigt, darunter 150 bedeutende Gemälde und Papierarbeiten des belgischen Surrealisten. Über 90 Leihgeber tragen mit einer Reihe bedeutender Hauptwerke zu dieser großen Retrospektive bei. Arbeiten wie Der bedrohte Mörder, Der heimliche Spieler, Die gigantischen Tage, Die durchbohrte Zeit, Die ewige Evidenz, Golconda oder Das Reich der Lichter präsentieren René Magritte als einen der Hauptvertreter des Surrealismus. Neben Dalí ist er zweifelsohne der auffälligste und eingängigste. Seine Werke sind jedoch nicht nur populär, sondern besitzen auch einen großen intellektuellen Reiz sowie eine bis heute faszinierende geheimnisvolle Rätselhaftigkeit.
Magritte ist in erster Linie ein Ideenmaler, ein Maler von sichtbaren Gedanken und weniger von Materiellem. Seine antimodernistische Gegenständlichkeit, die der Avantgarde gegenübersteht, hat die Kunstgeschichte nicht formal, dafür umso mehr motivisch bereichert. In seinem geradezu antiformalistischen Œuvre geht er mit der Welt der Erscheinungen provozierend und verwirrend frei um. Die Gegenstände, die er malt, sind allesamt deutlich erkennbar und entstammen dem Banalen und Alltäglichen. Indem Magritte sie jedoch nach seiner poetischen Logik präsentiert, nach einer Ordnung, die sie in ein ganz neues Licht setzt und mit einer gänzlich neuen Kraft ausstattet, gerät ihre Bedeutung ins Wanken. Die Lesbarkeit der Motive kollidiert mit der Rätselhaftigkeit ihrer Kombination: Magritte führt zusammen, was nicht zusammen gehört. Wahrnehmung und Sehgewohnheiten des Betrachters werden von diesem Künstler als stillschweigend akzeptierte Übereinkünfte und Konventionen entlarvt, wenn er durch die Darstellung unerklärlicher Metamorphosen, durch die Verkehrung der Welt, die Transformation von Größenverhältnissen oder surrealen Gegenüberstellungen die Kausalität unseres Weltverständnisses auf den Kopf stellt. Innen- und Außenraum stehen in trügerischer Beziehung zueinander, Tag und Nacht kollidieren, Gegenstände und menschliche Körper verschmelzen, und je klarer wir jeden Gegenstand erkennen, umso rätselhafter wird das Mysterium der Wirklichkeit.
Magrittes Bilder sind von einer bedrückenden Atmosphäre erfüllt, einer kalten und emotionslosen Ästhetik des Dargestellten. Die Räume seiner Bilder sind von einer bürgerlichen Aufgeräumtheit und altmodischer Sauberkeit bestimmt – ein völlig unspektakuläres Ambiente, das doch jeden Moment zum Tatort werden kann.
In seinem umfassenden Œuvre, bestehend aus Gemälden, Papierarbeiten, Objekten, Fotografien und Kurzfilmen, greift Magritte auf eine begrenzte Anzahl sorgfältig gewählter Motive zurück, die er wiederholt, und in immer neuen Kombinationen zu komplexen surrealen Bildwelten zusammenfügt. Der grüne Apfel, die Pfeife, der Mann mit Melone, das Ei, der Felsen, der Vorhang, das Meer – einige Elemente beschäftigen Magritte immer wieder. Sie sind das Kontinuierliche in seinem Schaffen und sind zum Markenzeichen des Künstlers avanciert.
Magrittes einzigartiger Sprachwitz, der in fast all seinen Werken zum Ausdruck kommt, ist legendär. Zeichen und Bezeichnetes spielt er gegeneinander aus. Die Auseinandersetzung mit Sprache und unserem Sprachgebrauch nimmt bei ihm einen besonderen Stellenwert ein. Geprägt von den philosophischen Theorien vom Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Frage nach der Übereinstimmung unserer Wahrnehmung, ihrer verbalen Beschreibung und der tatsächlichen Erscheinung der Wirklichkeit, sucht Magritte in seinen Bildern nach Entsprechungen der Idee, ihrem Abbild und ihrer realen Existenz, wie in seiner berühmten Bildidee „Ceci n’est pas une pipe“.
Mit seiner Malerei beeinflusste Magritte die abstrakten künstlerischen Tendenzen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ebenso wie die Konzeptkunst und Pop Art der 60er Jahre bis hin zum analytischen Denken der Gegenwartskunst.
Mit dem Zusatz seiner frühen gebrauchsgrafischen Arbeiten, den fotografischen Experimenten sowie den späten bizarr-skurrilen Kurzfilmen gibt die Ausstellung in der Albertina Aspekte und Werkphasen von Magrittes Schaffen und entwirft zum ersten Mal ein umfassendes Bild von der Komplexität seiner surrealistischen Methode und der gleichzeitigen Kontinuität wiederholter Motivgruppen.
In 13 Kapiteln folgt die Ausstellung der chronologischen und inhaltlichen Entwicklung seiner Kunst: beginnend mit den vom Film und dem Collage-Prinzip inspirierten klassisch surrealistischen Bildern der 20er und 30er Jahre, über Experimente wie eine Renoir-Periode und Période vache der Nachkriegszeit, bis hin zu seinem Spätwerk mit den geheimnisvollen Tag-und-Nacht-Bildern der berühmten Serie Das Reich der Lichter sowie den „anonymen Porträts“ Melone tragender Männer.
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09.11.2011 - 26.02.2012