Heinrich Kühn
Heinrich Kühn Die vollkommene Fotografie
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Ausstellung11.06.2010 - 09.08.2010
Die Albertina zeigt vom 11. Juni bis 29. August 2010 die Ausstellung Heinrich Kühn. Die vollkommene Fotografie, die bisher umfassendste Personale des Künstlers weltweit. Die Ausstellung mit rund 150 Werken, darunter einige wichtige Werkgruppen aus den Beständen des Hauses, wurde von den Albertina-Kuratorinnen Dr. Monika Faber und Dr. Astrid Mahler konzipiert. Durch ihre langjährige Forschungsarbeit kann das Werk Kühns nun zum ersten Mal in einen breiten Kontext gestellt werden. Im Anschluss wird die Ausstellung im Musée d’Orsay in Paris und im Museum of Fine Arts in Houston/Texas zu sehen sein.
Das fotografische Bild als Möglichkeit zu erschließen, eine künstlerische Vision ebenso präzise und kreativ zu realisieren wie in Malerei oder Zeichnung: das war das lebenslange Ziel Heinrich Kühns, einer zentralen Gründergestalt der internationalen Kunstfotografie um 1900. Durch ihn und seine Freunde wurde das stilisierte Lichtbild ebenso Teil des von den Sezessionisten angestrebten Gesamtkunstwerks wie Raumkunst, Kleidung oder Gebrauchsgrafik.
Gebrauchsgrafik. Wichtigstes Instrument dafür war der von Kühn zur Perfektion entwickelte sogenannte »„Gummidruck«“, mit dem man von einem fotografischen Negativ einen Abzug herstellen konnte, der durch die völlig freie Wahl von Papier und Pigment eher einer Kohlezeichnung oder Radierung glich als einer konventionellen Fotografie. Damit ließen sich die Helligkeitskontraste gezielt Kühns Bildvorstellungen anpassen und die als »„unkünstlerisch« “ abgelehnte Bildschärfe nach Belieben auflösen. Gegen 1910 reduzierte Kühn den romantischen Kosmos des »„Pictorialismus«“ auf wenige Themen, bis fast abstrakte Kompositionen von zeitloser Ausgewogenheit entstanden.
Von 1907 bis 1913 schuf Heinrich Kühn Bilder im Autochromverfahren, die vor allem dem impressionistischen Traum des Festhaltens atmosphärischer Stimmungen gewidmet waren, in ihrer unkonventionellen Komposition aber bereits fotografische Innovationen der nächsten Generation vorwegnehmen.
Zwischen Formauflösung des Postimpressionismus und Flächenkunst des Wiener Jugendstils hat Heinrich Kühn ein einzigartiges fotografisches Werk geschaffen, das selbst Fachleuten in seiner Breite bisher unbekannt geblieben ist. Kühn brachte in seinen Fotografien alles Widersprüchliche durch die künstlerische Form in Harmonie. Diese Fokussierung des fotografischen Kunstwollens auf formale Möglichkeiten hin führte Kühn von der Stimmungskunst an die Grenzen des Gegenständlichen und Narrativen.
Seine Werke wurden zwischen 1895 und 1915 in zahllosen Ausstellungen gezeigt und in allen wichtigen Kunstzeitschriften publiziert. Einige Jahre lang hatten seine Arbeiten weitreichenden Einfluss auf eine internationale Schar von Gleichgesinnten; seit 1910 allerdings ließ das Interesse an seiner Arbeit nach, bedingt sowohl durch den eigenen Rückzug aus dem öffentlichen Geschehen als auch durch veränderte Bestrebungen in der internationalen Fotografie.
Das modernistische Potenzial dieser Kunst wurde weder zu Lebzeiten des Künstlers und noch viel weniger danach erkannt, da die Verfremdung der fotografischen Oberfläche, in der Kühn Außergewöhnliches leistete, das Verschwinden aller Konturen und Details im technisch hergestellten Bild, von der Medientheorie lange als Defizit angesehen wurde.
Kühn wurde 1866 in Dresden geboren und lebte ab 1888 in Innsbruck. Um 1900 prägte das Landschaftsmotiv die Fotografie Kühns. Private wie kommerzielle Porträtaufnahmen gewannen an Bedeutung. Bald stellten die Figurenstudien seiner vier Kinder und des Kindermädchens Mary Warner die wichtigsten Motive seiner Fotografie dar. Rund 15 Jahre nach dem Tod seiner Frau Emma und dem aufgrund von Fehlinvestitionen seines Schwagers erlittenen Verlust seines geerbten Vermögens, führte er mit seinen Kindern und Mary Warner ein abgeschiedenes Leben auf dem Land. Nun widmete er sich vornehmlich dem Stillleben, dem Akt und dem ländlichen Genre, bis er sich 1937 aus dem offiziellen Arbeitsleben zurückzog. 1944 verstarb Kühn im Alter von 78 Jahren.
Saaltexte
Einleitung
Für Heinrich Kühn (1866–1944) stellte die Fotografie eine Form der Kunstausübung dar, die zwar in Anlehnung an die zeitgenössische Malerei und Grafik, aber mit durchaus eigenständigen Mitteln arbeitete. Diese Mittel technisch zu vervollkommnen war sein Lebensziel.
Dem aus wohlhabender Familie stammenden Kühn war es möglich, nach ausgedehnten naturwissenschaftlichen Studien ganz seiner Passion für die Fotografie zu leben. Wie für die schon seit einigen Jahren in diese Richtung tätigen Mitgliedern des »Wiener Camera-Clubs«, vor allem Hugo Henneberg und Hans Watzek, war es seit 1895 sein Anspruch, das durch die professionellen Ateliers vermeintlich zum Niedergang gebrachte Medium zu reformieren. Wichtiger Ansatzpunkt war die Wahrnehmungstheorie des Physiologen Hermann von Helmholtz’ Wahrnehmungstheorie, nach der das Auge des Menschen – im Gegensatz zur Kamera – nicht gleichmäßig scharf sehe. Die »Kunstfotografen« suchten nach Möglichkeiten, ihr Medium dieser Art der Sicht anzugleichen.