Ein „arabisches Zimmer“ im Wien Museum
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Ausstellung04.08.2021 - 31.12.2023Imaginationen des „Orients“
Von der Eseltasche bis zum griechischen Wein
Ein Firmenkatalog unterrichtet über die „Neuheiten in europäischen, orientalischen, indischen und anderen ausländischen Waaren“ und ein reiches Sortiment an Teppichen sowie Eseltaschen, Fensterdecken, Portieren und Vorhängen, die für „orientalische“ Räume unentbehrlich waren. Bei Zacchiri gab es alle erdenklichen Gebrauchs- und Dekorationsgegenstände wie etwa türkische Kaffeeservice oder meterlange ägyptische Palmen, darüber hinaus Lanzen, Hellebarden und sonstige Waffen, selbst griechischer Wein war zu bekommen. Der bebilderte Teil des Firmenkatalogs bereitet die Möbelkollektion mit einem Schwerpunkt auf „Moossarabie“-Möbeln mit gedrechselten Holzstäben und Damaszener-Möbeln auf.
„Orientalische“ Interieurs in Wien waren hybride Arrangements aus einer Mischung von Originalteilen und heimischen Erzeugnissen, zusammengestellt von Dekorateuren, Architekten und Malern. Freilich waren sie an westliche Lebensgewohnheiten und Bedürfnisse angepasst, sodass man beispielsweise nicht mit überkreuzten Beinen auf dem Boden saß, sondern auf Fauteuils. Mitunter war das „Orientalische“ nicht mehr als eine oberflächliche Behübschung, wie ein Vorschlag von Zacchiri selbst zeigt.
Orientalismus und Secessionskunst
Das dem Wien Museum vor wenigen Jahren geschenkte Zimmer ist eine interessante Fallstudie, seine Entstehung und Nutzung wird von den Nachkommen berichtet. Auftraggeber war Anton Johann Kainz-Bindl (1879–1957), der als junger Mann über ein Vermögen verfügte. Die Verlassenschaft seines Vaters verpflichtete ihn, eine Weltreise zu unternehmen, ein Haus zu bauen und das verbleibende Geld in Staatsanleihen zu investieren. Im Jahr 1899 begann er zu reisen, im April 1900 heiratete er seine Ziehschwester Maria Russleitner und ging mit ihr von Triest aus auf eine Reise in den Nahen Osten. Ab dem Frühjahr 1900 ließ er direkt gegenüber von Otto Wagners Stadtbahnstation Nussdorfer Straße ein vierstöckiges Wohn- und Geschäftshaus bauen (Währinger Gürtel 166). Dort eröffnete er seinen Handel mit Pferdefutter und bezog das Mezzaningeschoss. Das „arabische Zimmer“ ließ er im Erkerraum als Empfangssalon einrichten.
Die Familiengeschichte erzählt überzeugend, dass Kainz-Bindl das mobile Inventar von seinen Reisen mitbrachte. Die Wandvertäfelungen hingegen entstanden nachweislich beim renommierten Wiener Möbelbauer und Innenausstatter Portois & Fix, der um 1900 einige Aufträge von Secessionskünstlern bekam. Die bogenförmige Erkerumrahmung unseres „arabischen Zimmers“ von 1901 entspricht eindeutig dem Formempfinden des Wiener Kunstfrühlings. Von Portois & Fix stammte ebenso das „Türkische Zimmer“ Kronprinz Rudolfs in der Wiener Hofburg aus dem Jahr 1885, das in der Allgemeinen Illustrirten Zeitung beschrieben, abgebildet und gut bekannt war.
Zurückgekehrt von einer Reise mit seiner Gemahlin Kronprinzessin Stephanie von Belgien an den osmanischen Hof 1884, hatte er sich ein privates Arbeitszimmer gestalten lassen, das seine persönlichen Interessen, die Sammlung orientalischer Gegenstände und seine Erinnerungen aufnahm. Ähnlich dürfte es sich bei Anton Kainz-Bindl zugetragen haben, der nicht nur nach dem Vorbild aus dem Kaiserhaus handelte. Den Orientreisenden priesen Reiseveranstalter und Reiseführer wie der Österreichische Lloyd als Höhepunkt des Souvenirartikel-Konsums in Konstantinopel einen Besuch des als „Orientalisches Museum“ bekannten Verkaufslokals beim Großen Bazar an. Ein, wie es im Reiseführer heißt, „äußerst kunstvoll“ ausgestatteter Salon sollte ein „richtiges, genaues Vorbild von türkisch-arabischen Interieurs“ geben und letztendlich zum Kaufen animieren.
In der Wohnkultur des Historismus gab es verhältnismäßig klare Zuordnungen von Einrichtungsstil und Raumfunktion. In der Sphäre der Frauen war meist der Neorokokostil vorherrschend bzw. eine Gestaltung, die das gesellschaftliche Rollenbild der Frau – weich, rund, zu behütend – widerspiegelte. In den Räumen der Herren dominierte in vergleichsweiser Strenge die Neorenaissance mit einem Verweis auf das Gelehrtentum. Es stellt sich die Frage, wie es denn um die „orientalischen“ Interieurs in der Geschlechterfrage stand: Zur Zeit der Wiener Weltausstellung wurden sie eher Frauen als Boudoir zugeordnet, nach 1880 rückten sie in Rauch- und Arbeitszimmern in die Domäne des Mannes.
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