Ein „arabisches Zimmer“ im Wien Museum
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Ausstellung04.08.2021 - 31.12.2023Imaginationen des „Orients“
Im 19. Jahrhundert zog mit „orientalischen“ Zimmern ein Ort fremder Kultur in viele bürgerliche Wohnungen ein. Dank einer Schenkung befindet sich seit Kurzem ein vollständig erhaltenes Exemplar in der Sammlung des Wien Museums.
Zum Geschichtsbewusstsein des 19. Jahrhunderts kam – insbesonders nach der Weltausstellung 1873 und der großen Präsenz des Nahen und Fernen Ostens – ein anhaltendes Interesse am Orient. Die durch Teppiche, Holzverkleidungen und exotische Möbel gestalteten Räume erfüllten damals alle atmosphärischen Anforderungen eines Gründerzeit-Salons. Mit den hybriden Interieurs erhielten europäische Imaginationen des „Orients“ einen realen Raum, in den auch Stereotype, Machtverhältnisse und Begierden hineinprojiziert und manifest wurden.
Im Jahr 2015 übernahm das Wien Museum mit Unterstützung der Hammer-Purgstall Gesellschaft ein rund 30 m2 großes „arabisches Zimmer“. Es hat sich in der Familie des Auftraggebers über 100 Jahre unverändert erhalten, als einziger Raum der einst großzügigen 1901 gestalteten Bauherren-Wohnung von Anton Johann Kainz-Bindl. In den letzten Jahrzehnten hat die Schmuck- und Emailkünstlerin Ulrike Zehetbauer den Raum für ihre Einladungen und Feste genutzt. Ihr verdankt das Wien Museum das „arabische Zimmer“, das nun als das einzige vollständig erhaltene Exemplar bürgerlichen Orientalismus in Wien gelten kann.
Wiener Weltausstellung 1873
Das europäische Interesse am „Orient“ war im 19. Jahrhundert vielfältig und bezog sich regional nicht auf den Nahen Orient oder die islamischen Ländern, sondern auf ganz Asien bis hin zu Japan. Gelehrte und Künstler studierten das fremde Kunstschaffen, um die heimische Architektur, vor allem aber das Kunstgewerbe zu verfeinern, das im Zuge der Industrialisierung an Qualität verloren hatte. Für die Popularisierung „orientalischer“ Interieurs im Speziellen war die Wiener Weltausstellung 1873 maßgeblich mitverantwortlich. Sie setzte aus wirtschaftlichen und handelspolitischen Überlegungen einen Schwerpunkt auf die Länderpräsentationen des Orients und wies ihnen im Industriepalast und auf dem Ausstellungsgelände viel Platz zu. Nachdem die Organisatoren nationale Wohnhäuser und ihre Einrichtungen zeigen wollten, gab es Interieurs aus verschiedenen Teilen der islamischen Welt: Ägypten, Marokko, Osmanisches Reich, Persien und Tunesien. Das Besucher- und Medienecho war enorm und Zeitungen berichteten ausführlich über die fremden Lebenswelten. Die „Orientmode“ entwickelte sich zu einem regelrechten Trend in der Innenarchitektur, ihre Spuren blieben bis in die 1930er Jahre sichtbar.
Museen geben vor
Nach dem Ende der Weltausstellung wollte man Exponate aus der orientalischen Abteilung für Wien erhalten. Sie kamen in die Obhut des 1874 dafür gegründeten Orientalischen Museums, das 1875 im Palais Alfred Windischgrätz in der Renngasse 12 eröffnete und ab 1879 in der Börse am Schottenring 1 war. Dort richtete der Maler Hugo Charlemont vier „orientalische“ Interieurs unter Verwendung von Sammlungen der Hocharistokratie und von Kronprinz Rudolf ein.
Es ist nicht zu übersehen, dass sich hier europäische und „orientalische“ Vorstellungen die Hände gaben und der zeitgenössische Dekorationsstil von Hans Makarts Atelier miteinfloss. Die Sammlung des Orientalischen Museums übrigens, das 1886 in das k.k. Handelsmuseum umgewandelt wurde, ging 1906 im Museum für Kunst und Industrie, dem heutigen Museum für angewandte Kunst, auf. Dort gab es ab 1883 ein „Arabisches Zimmer, das von Franz (František) Schmoranz und Johann (Jan) Machytka gestaltete war. Beide hatten bereits für das Arabische Wohnhaus auf der Weltausstellung verantwortlich gezeichnet. 1908 studierte und skizzierte LeCorbusier diesen Raum, der bis 1931 ausgestellt war und seitdem im Depot verwahrt wird. Die Museums- und Ausstellungsinszenierungen hatten belehrende und vorbildgebenden Einfluss auf private Wohnvorstellungen. Über einen „orientalischen“ Salon zu verfügen war für das Bürgertum nicht weiter ungewöhnlich, zumindest jedoch einzelne Gegenstände daraus zu besitzen allgemein üblich.
Alles für die Einrichtung benötigte war im Zentrum der Haupt- und Residenzstadt, am Graben oder auf der Kärntnerstraße, zu beziehen, wo Kaufhäuser und Teppichhändler mit ihren Schaufenstern und Schauräumen lockten und den boomenden Markt bedienten. Der k.k. Teppich- und Textilfabrikant Philipp Haas & Söhne musste 1882 wegen hoher Nachfrage seine Geschäftslokale um einen eigenen „Bazar oriental“ vergrößern. Niemand geringerer als der Direktor der Kunstgewerbeschule, Professor Josef von Storck (1830–1902), gestaltete drei „orientalische“ Zimmer, die laufend wechselnde Dekorationen bekommen sollten.
An der Kärntnerstraße 45 eröffneten 1892 die Unternehmer N. & G. Zacchiri ein weiteres großes „orientalisches“ Kaufhaus für Möbel, Teppiche und Dekorationsgegenstände. Das Unternehmen war bereits 1867 von den osmanischen Großhändlern Georgio und Nikola Zacchiri ursprünglich als Teppichhandel für Ware aus Smyrna (İzmir) und Persien gegründet worden. Ihre Geschäftslokale waren zunächst in der Bartensteingasse 3–5 sowie am Graben 26. Erst im Laufe der Jahre erweiterten sie um „orientalische“ Salons für Herren,- Rauch-, Schlafzimmer sowie Boudoirs und boten die Ausstattung ganzer Wohnungen, Hotels und Villen an. Zacchiri unterhielten eine eigene Teppichfabrik in Uşak im Hinterland von İzmir und eine Möbelfabrik in Kairo. Das international tätige Unternehmen war in Budapest und Paris vertreten und lieferte an das griechische Königshaus sowie an den Hof des Osmanischen Reichs.
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