Miriam Cahn. Ich als Mensch
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Ausstellung12.07.2019 - 27.10.2019
1982 erhielt Miriam Cahn die Einladung zur Teilnahme an der documenta 7, wo sie „Wachraum II“ zeigen sollte. Der Leiter Rudi Fuchs lud jedoch entgegen den Absprachen einen weiteren Teilnehmer in den Cahn zugewiesenen Ausstellungsraum ein, was die Präsentation, so die Künstlerin, „ihrer weiblichen Zeichen beraubt hätte“ – sie zog daher noch kurz vor der Eröffnung ihre Teilnahme zurück. Kurz darauf markierten die von Jean-Christophe Ammann kuratierte Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel (1983) und die Einladung für den Schweizer Pavillon auf der 41. Biennale von Venedig (1984), erste Höhepunkte in ihrer Karriere.
Die Hell-dunkel-Kompositionen des Frühwerks fanden ihren Abschluss in Werkreihen, die auf der Verwendung von zerriebenem dunklem Kreidestaub basieren, darunter die Serie „LESEN IN STAUB“ (1986-1988). Diese Bilder lassen sich als Versuch lesen, im Einklang mit einer weiblichen Energie zu arbeiten, die durch den Rhythmus des Monatszyklus bestimmt ist. Mit Darstellungen von Kindern und Tieren hielten zugleich neue Motive Einzug in ihr Bildvokabular; mit ihnen führte Miriam Cahn Themen wie Fürsorge und Schutz als Aspekte weiblicher Existenz ein.
Mitte der 1990er-Jahre wandte sich Miriam Cahn der Ölmalerei zu. Es entstanden Gemälde, die durch den virtuosen Einsatz von leuchtenden, vibrierenden Farben betören und gleichzeitig durch die Radikalität der Inhalte in hohem Maße verstören: die nukleare Bedrohung, der Golfkrieg und die Jugoslawienkriege, der Anschlag auf das World Trade Center und in jüngster Zeit die Flüchtlingsproblematik. Als Gründe für die Auseinandersetzung mit Krieg, Flucht und Vertreibung hat Cahn unter anderem ihre jüdischen Wurzeln und die Biografie ihrer aus Nazideutschland in die Schweiz emigrierten Eltern angeführt.
Miriam Cahn richtet ihren Blick auf Momente, in denen Menschen allein auf sich gestellt sind, allein im Angesicht ihres Schicksals. Ihre Bilder erzählen davon, dass Menschen sich selbst ermächtigen, über das Leben anderer zu entscheiden; sie bezieht sich dabei auf Giorgio Agambens Begriff des „nackten“ – eines quälbaren und tötbaren, weil entrechteten – Lebens. Trotz prononciert dargestellter Geschlechtsmerkmale wirken die Figuren gleichsam geschlechtslos oder entpersonalisiert, wie Stellvertreter eines kollektiven Subjekts. Die Künstlerin arbeitet mit Qualfarben und verführerisch anmutenden, farbigen Bildräumen, um dem unermesslichen Schmerz anderer Ausdruck zu verleihen. Cahns Gemälde vermitteln Empathie mit dem Leben anderer als wesentlichem Aspekt menschlichen Seins.
„In Zeiten von erneut aufflammendem Nationalismus, Populismus, Fremdenfeindlichkeit, Sexismus und Verachtung des Pluralismus hat Cahns künstlerisches Werk enorm an Brisanz gewonnen. Ihre zentrale Bedeutung für ein radikal erweitertes Verständnis der Rolle der Frau in der Kunstgeschichtsschreibung ist unbestreitbar geworden“, so die Kuratorin Jana Baumann.
Miriam Cahn stellt tradierte gesellschaftlich bedingte, kollektive Vorstellungen infrage und fordert damit die Normierungsgesellschaft heraus. Dabei reicht ihr künstlerisches thematisches Spektrum von der anfänglichen Entwicklung neuer Körperbilder bis hin zur Offenlegung der gegenwärtigen Verstrickung des Menschen im Netz von ökonomischen und ideologischen Zusammenhängen.
Kuratiert von Jana Baumann
In Kooperation mit dem Kunstmuseum Bern und dem Museum für moderne Kunst, Warschau.
Gefördert durch ProHelvetia
Bei Hirmer erscheint die Begleitpublikation „Miriam Cahn. Ich als Mensch“. Hrsg. von Haus der Kunst, mit ca. 150 farbigen Abbildungen, Beiträgen von Jana Baumann, Tess Edmonson, Natalia Sielewicz und Adam Szymczyk sowie einem von Patricia Falguières, Élisabeth Lebovici & Nataša Petrešin-Bachelez mit der Künstlerin geführten Interview. München 2019, ISBN 978-3-7774-3359-2, Museumsausgabe 29,90 Euro.
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12.07.2019 - 27.10.2019
Öffnungszeiten: tägl. 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr Veranstalter: Künstlerverbund im Haus der Kunst e.V.