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Hieronymus Bosch 500

Drohnen im Paradies – Eine alltägliche Apokalypse

Hieronymus Bosch 500

Das große Weltgerichtstriptychon des Hieronymus Bosch in der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien ist eines der bedeutendsten Kunstwerke nicht nur Österreichs. 2016 wiederholt sich zum 500. Mal das Todesjahr des niederländischen Meisters. Dementsprechend hat auch die Gemäldegalerie ihr heuriges Jahresthema ganz diesem Anlass gewidmet.

So konnte der 1966 in Zagreb geborene Künstler Ivica Capan gewonnen werden, sich mit dem Jüngsten Gericht von Hieronymus Bosch künstlerisch auseinanderzusetzen und eine Arbeit speziell für die Gemäldegalerie zu schaffen. Sein für das Bosch-Jahr entwickeltes Werk wird in einer Intervention der Reihe IM FOCUS von 6. Juli bis 9. Oktober 2016 unter dem Titel „HIERONYMUS BOSCH 500. Drohnen im Paradies – Eine alltägliche Apokalypse“ gezeigt.

Das Konzept Ivica Capans, der sich immer wieder mit Bezügen zwischen Gegenwartskunst und den Werken der sogenannten alten Meister beschäftigt, basiert auf einer maßstabsgetreuen fotografischen Replik von Hieronymus Boschs „Jüngstem Gericht“.

In Weiterentwicklung seiner Auseinandersetzung mit Gemälden von Veronese oder Rubens verwendet Capan auch hier das Motiv der Drohne, Modell Predator („Raubtier“) MQ-1, das 1995 bis 2015 für die US-Army produziert und für Kriegseinsätze mit Hellfire-Raketen ausgestattet wurde. Zur Darstellung der Bedrohlichkeit dieser tödlichen, unbemannten Waffe, die ferngesteuert militärische Stellungen eliminieren soll, oft aber als „Kollateralschaden“ Zivilisten trifft, legt Ivica Capan über die drei Tafeln des Weltgerichtsaltars in vorderster Bildebene ein Netz von seriell angeordneten Drohnen. Ursprünglich als Einzelmotiv gemalt und in weiterer Folge digital reproduziert, schweben die Drohnen distant, ohne Schatten und beängstigend in einer in sich geschlossenen Sphäre über Hieronymus Boschs düsterem Weltenpanorama.

In kontinuierlicher Bedrohung verdichten sich die Formationen – sie stehen bewegungslos über dem linken Flügel, über der Entstehung der Welt, dem Sündenfall und der Vertreibung der Menschen aus dem Paradies, sie belegen in dichtem Geschwader die Mitteltafel, unter sich die irdische Gegenwart der monströsen Sünder, sie ziehen rechter Hand über die Hölle, die das aussichtslos schreckliche Schicksal der Menschheit zeigt.

Nicht zuletzt unter dem Eindruck der furchtbaren Berichte des ehemaligen US-Drohnen-Piloten Brandon Bryant setzt Ivica Capan die Drohne als Symbol der entmenschlichten Gewalt neuester Kriegstechnologien ein – die Gegenüberstellung mit dem heillosen Treiben der von Monstern gequälten Menschheit im Weltgerichtstriptychon kommt nicht von ungefähr. Mit seiner vielschichtigen Arbeit zum Bosch-Triptychon transportiert er brennend aktuelle Fragen und Ängste um die Zukunft der Menschheit, die blind und unreflektiert ihr eigenes Schicksal bestimmen zu können glaubt.

Die Bedeutungsebenen in Ivica Capans Konzept überlagern sich mehrfach mit jenen in Hieronymus Boschs Meisterwerk. Während aber der spätmittelalterliche Künstler in der Mitteltafel die gottferne Menschheit aussichtslos in die Sieben Todsünden verstrickt sieht, so greift Ivica Capan – ähnlich wie Bosch im Garten der Lüste (Madrid, Prado) – nur eine einzige Todsünde heraus, die auch bei Bosch einen besonders großen Stellenwert hat: Er sieht in Ira, dem Zorn, also der Gewalt der Menschen gegeneinander, den größten Frevel der Gegenwart. Capan verdichtet in seinem unheimlichen Bild die apokalyptische Prophezeiung des Weltuntergangs am Jüngsten Tag, die furchterfüllte Erwartung des Armageddon, und thematisiert damit auch ganz konkret die in der Gegenwart kollektiv empfundene Angst vor weltumfassender, ausweglos zerstörerischer kriegerischer Gewalt.

Gleichzeitig spricht er mit seiner Darstellung aber auch die reale Brutalität des modernen Drohnenkrieges an, durch die das einzelne unschuldige Individuum im Kleinen seine alltägliche Apokalypse erfährt, ohne Vorwarnung, oft genug rein zufällig, durch hinterhältige, zerstörerische Gewalt aus heiterem Himmel.

Der Künstler verdeutlicht in dieser Parallelsetzung des furchtbaren Weltbilds des Hieronymus Bosch mit den erschreckenden Gegenwartsbezügen seinen eigenen kritischen, durchaus ebenfalls pessimistischen Zukunftsperspektiven. Er verweist damit auf die kontinuierliche Weiterentwicklung grausamster Kriegstechnologien und die in Hinsicht auf ein friedliches Zusammenleben offensichtlich nur sehr bescheidene Lernfähigkeit des Menschen.

Im Sinne von Fernand Braudels strukturalistischem Geschichtsbegriff der „Longue Durée“ beleuchtet Ivica Capan hier einerseits nach wie vor präsente, grundlegende und der abendländischen Kultur immanente gesellschaftliche und moralische Wertefragen. Zum anderen schafft er eine Verbindung zwischen dem 500 Jahre alten Altargemälde des Hieronymus Bosch und seiner mit bestechender Präzision ausgeführten Kombination aus Malerei und digitalen Medien und damit ein zeitgenössisches Bildwerk, das die angsterfüllte Botschaft des auratischen Originals gleichsam als Übersetzung auch heute nachvollziehbar macht.

Text: Dr. Martina Fleischer, Kuratorin






  • 06.07.2016 - 09.10.2016
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    Akademie der Künste Wien »

    Öffnungszeiten: Dienstag – Sonntag, Feiertag 10.00 – 18.00 Uhr



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  • Ivica Capan (* 1966 Zagreb), Drohnen im Paradies. Die alltägliche Apokalypse, 2016, Fotomontage, pigment print on hahnemühle photorag baryta, © Ivica Capan
    Ivica Capan (* 1966 Zagreb), Drohnen im Paradies. Die alltägliche Apokalypse, 2016, Fotomontage, pigment print on hahnemühle photorag baryta, © Ivica Capan
    Akademie der Künste Wien