Pointillismus
Seurat, Signac, Matisse und Picasso
Als Georges Seurat 1891 im Alter von 31 Jahren unerwartet stirbt, ahnt Camille Pissarro bereits, dass sich mit Seurats „Erfindung“ Folgen für die Malerei abzeichnen würden, „die später höchst bedeutungsvoll sein würden“: Mit nur wenigen Bildern hatte Seurat einen Stil begründet, der wegweisend für die Moderne sein sollte: den Pointillismus.
Die Albertina widmet dieser faszinierenden Strömung eine hochkarätige Ausstellung, die den Beginn der Moderne mit dem Pointillismus als ihrem Geburtshelfer um ein wesentliches Kapitel vervollständigt: 100 ausgewählte Meisterwerke der Hauptvertreter Seurat und Signac sowie beeindruckende Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen moderner, von der Punktekunst faszinierter Meister wie Van Gogh, Matisse und Picasso illustrieren die atemberaubende Strahlkraft sowie den bedeutenden Einfluss dieser Kunstrichtung.
In Kooperation mit dem Kröller-Müller Museum erzählt Seurat, Signac, Van Gogh die Erfolgsgeschichte des Pointillismus von ihrem Anfang 1886 bis zu ihren Auswirkungen Anfang der 1930er-Jahre: Beginnend mit den bahnbrechenden, frühen Werken von Georges Seurat, Paul Signac und Théo van Rysselberghe spannt die Ausstellung den Bogen über Paul Signacs und Henri-Edmond Cross‘ Transformation der Punkte zu kleinen Quadraten und Mosaiken hin zu den Meisterwerken Vincent Van Goghs. Die kräftigen Farben der Fauves, die dekorativ gesetzten Punkte im Kubismus bei Pablo Picasso und die abstrahierenden Werke von Piet Mondrian stehen dabei ebenfalls im Fokus.
Die umfassende Schau beleuchtet nicht nur die einzigartige Metamorphose des Punktes, sondern thematisiert erstmals jene Errungenschaften des Pointillismus, die für die Moderne fruchtbar gemacht wurden, und fügt sich damit neben Van Gogh. Gezeichnete Bilder, Impressionismus. Wie das Licht auf die Leinwand kam und Matisse und die Fauves in die Reihe jener Albertina- Ausstellungen ein, die die Geburtsstunde der Klassischen Moderne thematisieren.
Zwischen Realismus und Abstraktion
Die Maler, die wegen ihrer außergewöhnlichen Technik ‚Pointillisten‘ genannt wurden, setzen 1886 dazu an, den bis dahin gültigen Avantgardismus der Impressionisten herauszufordern. Die Entwicklung der Malerei in Paris gegen Ende des 19.Jahrhunderts gibt Pissarros vorausschauendem Urteil recht: Die Flächigkeit und Stilisierung sowie die Bewegungs- und Teilnahmslosigkeit der dargestellten Figuren in den Werken von Seurat zeigen, dass es Seurat nicht mehr um das Dargestellte sondern um die Darstellung – also die Art der Malerei – selbst geht. Die Komposition seiner Bilder folgt zunehmend geometrisch überlegten Linien, die vielen systematisch gesetzten Punkte wirken wie tausendfach zerlegte Ornamente. Die inhaltliche sowie formale Abstraktion sind nicht mehr aufzuhalten.
Mit der Reduktion der malerischen Handschrift auf die kleinstmögliche künstlerische Äußerung – den Punkt – distanzieren sich Seurat, Signac, Pissarro und Rysselberghe allerdings nicht nur von der Wiedergabe des flüchtigen Augenblicks der Impressionisten, sondern stellen mit ihren Ansätzen das Malen nach der Natur in Form von Pinselstrichen, wie es seit Jahrhunderten
Gültigkeit hatte, gänzlich in Frage. Punkte in reiner Farbe, die die Pointillisten dem Prinzip der optischen Farbmischung folgend eng nebeneinandersetzen, generieren eine bis dahin ungekannte Strahlkraft und eine Vielzahl an Farbimpulsen. Die realistische Sicht auf die Welt weicht der Darstellung einer synthetischen Wirklichkeit: Der Moderne stehen mit einem Schlag alle Türen offen.
Nach Seurats Tod ist es vor allem sein Wegbegleiter Signac, der die Punkttechnik weiterentwickelt: Gemeinsam mit Henry-Edmond Cross steigert er die Leuchtkraft, intensiviert die Farbkontraste und prägt den Begriff des ‚Divisionismus‘. Bald entwickeln sich die kleinen, systematisch gesetzten Punkte zu Strichen, die aus entsprechender Entfernung im Auge eine Farbmischung eingehen sollen. Mit diesem liberaleren Ansatz befreit Signac die Maler von der Verpflichtung zur Punkttechnik: Eine jüngere Generation, der unter anderen Henri Matisse und sein Kreis sowie Piet Mondrian angehören, brechen schließlich aus dem rigiden System Seurats aus.
Vincent Van Gogh: Ein individueller Weg
Ein wichtiger Mittler bei dieser Entwicklung ist Vincent van Gogh, der als Außenseiter und kurzfristiger Anhänger des Pointillismus neue Wege beschreitet. Zunächst greift er Seurats Ideen mit Begeisterung auf: Seine Palette wird heller und strahlender – zahlreiche flirrende Punkte finden Einzug in seine Landschaften. Doch die systematische Punktemanier spielt nie eine wirklich tragende Rolle in Van Goghs Schaffen; schnell entscheidet er sich für eine freiere Ausdrucksweise, die ihm eher entspricht: „Das Pointillieren, das Aurelieren und dergleichen, das halte ich für wirkliche Entdeckungen; aber man muss schon jetzt dafür sorgen, dass diese Technik nicht – sowenig wie andere – zu einem allgemeinen Dogma wird.“ sagt er bereits 1888 und setzt der kühlen und rationalen Malerei des Pointillismus seinen individuellen Ausdruck und Gefühl entgegen.
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16.09.2016 - 08.01.2017
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€ 7,00
BesucherInnen mit dem sog. "Kulturpass" (sozial Bedürftige) freier Eintritt Führungsbeitrag