Kunst
Selbstjustiz durch Fehleinkäufe. Eine Auswahl der Neuerwerbungen der Sammlung Falckenberg
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Ausstellung06.02.2015
Kunst unter den vorherrschenden Rahmenbedingungen eines rasanten, von immer neuen Entwicklungen getriebenen globalen Kulturbetriebs zu sammeln, ist für private Sammler, gleichermaßen aber auch für öffentliche Institutionen ein schwieriges Unterfangen. Das gilt gerade für junge Gegenwartskunst. Was heute zu hohen Preisen angeboten wird, ist oft genug morgen schon nicht mehr relevant. Der Visionär Martin Kippenberger hat diese Entwicklung schon 1984 mit seiner melancholischen Arbeit »Selbstjustiz durch Fehleinkäufe« vorausgesehen. Vordergründig geht es um die private Abrechnung einer kurzfristigen Liaison mit einer Künstlerkollegin, die nackt mit Schärpe und zwei halb gefüllten Einkaufstaschen einigermaßen deplatziert dasteht. Aber Kippenberger wäre nicht Kippenberger, wenn seine Arbeit nicht zugleich allgemein ein gekonnter Seitenhieb auf das Kunstsammeln wäre.
Lange habe ich nach dieser Arbeit recherchiert, bis ich sie endlich Mitte 2014 erwerben konnte. Zugegeben war sie der Auslöser dieser Ausstellung, die mit mehr als 60 Künstlerpositionen und etwa 140 Arbeiten einen Querschnitt meiner Neuerwerbungen seit 2011 präsentiert. Es sind neben Kippenberger wichtige Arbeiten dabei. Im dadaistisch-punkgeprägten Bereich der Counter Culture etwa von Jerry Berndt, Werner Büttner, Merlin Carpenter, Nicole Eisenman, Dennis Hopper, Ray Johnson, Mike Kelley, Paul McCarthy, Albert Oehlen, Raymond Pettibon, David Robilliard und ihren deutschen Protagonisten John Bock, Christian Jankowski, Andy Hope, Jonathan Meese, Christoph Schlingensief und Andreas Slominski. Hinzu gekommen sind umfangreiche Dokumentationen der bedeutenden amerikanischen Fotografen Lee Friedlander und Lewis Baltz. Sie stehen in einem engen Zusammenhang mit konzeptuell geprägten Arbeiten, die seit jeher einen Schwerpunkt der Sammlung ausmachen. Neuerwerbungen in diesem Bereich sind Arbeiten von Art & Language, Richard Artschwager, John Baldessari, Monica Bonvicini, Hanne Darboven, Olaf Metzel, Konrad Klapheck, Astrid Klein, Imi Knoebel, Tobias Rehberger, Thomas Schütte und Santiago Sierra. Schließlich geht es um junge Positionen wie Thorsten Brinkmann, Nathalie Czech, Sven Johne, Javier Téllez, Ena Swansea und Klassiker wie Chris Burden, Andreas Feininger, Eric Fischl, Mimmo Paladino und Man Ray.
Klingt nach einem Sammelsurium, aber es ist keine Leistungsschau eines Sammlers. Nichts liegt mir ferner. Für mich sind Kunstwerke weniger Bekenntnisse und Botschaften. Sie sind – das wenigstens ist mein Credo – Dokumente des Zeitgeists und Belege gesellschaftspolitischer Entwicklungen. Fragen und Probleme, die uns alle angehen. Und doch bleiben Zweifel. Die Art World lässt sich nicht auf den Punkt bringen.
Ich weiß aus jahrzehntelanger Arbeit, dass die Beziehungen der in der Sammlung vertretenen Künstler von Wertschätzung und in vielen Fällen direkter Kontakte von großem Respekt geprägt sind. Sie haben sich spätestens in den 70er/80er Jahren von den kommerziell bestimmten Richtungen der Pop Art à la Warhol und der Appropriation Art à la Koons verabschiedet und verschiedene Wege einer gesellschaftskritischen Ausrichtung gesucht. Und eben diese Bestrebungen zu dokumentieren und in der jetzigen Ausstellung umzusetzen, entspricht dem Konzept der Sammlung Falckenberg. Es geht um deutsch-amerikanische Zusammenhänge, ebenso aber um kritische Kunst, die sich nach der langen Dominanz von Köln und Düsseldorf im Bereich deutscher Gegenwartskunst in Hamburg und Berlin herausgebildet hat. Die Ausstellung der Neuerwerbungen seit 2011 ist zugleich ein Dank an die Deichtorhallen und die Kulturbehörde der Stadt Hamburg. Sie haben sich durch die Kooperation im Jahr 2011 in vorbildlicher Weise dafür engagiert, dass das Projekt der Sammlung Falckenberg fortgeführt werden konnte.
Von zentraler Bedeutung ist die zukünftige Entwicklung des internationalen Kunstbetriebs. Ich sammle seit 20 Jahren Gegenwartskunst. 1994 war kein schlechter Ausgangspunkt. Nach dem Boom der 80er Jahre war der Kunstmarkt Mitte der 90er Jahre praktisch zum Erliegen gekommen. Die Avantgarde mit ihrer kühnen Idee, die Gesellschaft über Kunst zu verändern, hatte in der Postmoderne eines »Anything goes« ausgedient. Auf der einen Seite Konzeptkunst mit Bastionen autonomer Überzeugungen oft genug im Sinne der Political Correctness, auf der anderen Seite Kunst, die sich der Alltagskultur in all ihren Niederungen und dem Scheitern ihrer Hoffnungen verpflichtet sieht. Beide Richtungen überschneiden sich vielfältig. Sie sind sich in einem entscheidenden Punkt einig: Mit der traditionellen Repräsentationskunst des Guten, Wahren und Schönen haben sie nichts gemeinsam.
Und schon gar nichts mit dem Kitsch, der die heutigen Kunstmessen dominiert und weltweit Objekt der Begierde zahlungskräftiger Millionäre ist. Je teurer, desto besser. Kunst der Macht oder Kunst als Gegenmacht? Die Lage ist diffus. Der Kulturbetrieb einer Gesellschaft des Spektakels und der Events mit heute mehr als hundert Biennalen und Triennalen beherrscht die Szene. Die staatlichen Institutionen sehen sich außerstande, die Kosten zu übernehmen und setzen auf Public Private Partnerships internationaler Unternehmen. Nach den Celebritys der Filmindustrie vergangener und dem Starkult heutiger Tage ist der Sport mit den Millionensummen für Topspieler und längst auch die Kunst in ihr Visier geraten. Es geht um die Aufwertung ihrer Produkte durch gerade auch rebellische Positionen, im Sinne eines »Radical Chic«, um weltweit bekannte Künstler und Werke, für die auf den relevanten Kunstmessen, allen voran die Art Basel, und seit dem Einstieg von Christie’s und Sotheby’s in den Markt der Gegenwartskunst Ende der 90er Jahre unvorstellbare Preise erzielt werden.
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