Kunst
Selbstjustiz durch Fehleinkäufe. Eine Auswahl der Neuerwerbungen der Sammlung Falckenberg
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Ausstellung06.02.2015
Der Kunstboom der 80er Jahre – es wird behauptet, dass in dieser Dekade mehr Kunst verkauft wurde als in allen Jahrhunderten zuvor – brach Ende 1990 innerhalb weniger Monate komplett zusammen. Als Ursache wurden die gescheiterten Großmachtträume japanischer Investoren und der Zukunftsbranche des spekulativen Markts der neuen Technologien ausgemacht. Aber so einfach ist es nicht. Das internationale Geschäft steht in einem engen Zusammenhang mit weltpolitischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Es geht um Macht und Gegenmacht. Auf die Artworld bezogen um Positionen des Widerstands, wie sie die Counter Culture der Beatniks und Hippies und die Pop Art in den 50er/60er Jahren propagierten. Die Venedig-Biennale 2013 unter Massimiliano Gioni brachte mit der Abart, Outsidern und Anthroposophen wie Rudolf Steiner Anhänger von Alternativgesellschaften in einen zeitgenössischen Kontext mit dem Kunstmarkt. Die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg vollzog sich in Zehnjahresrhythmen. Dem Aufschwung des Kunstmarkts in den 60er Jahren unter dem von John F. Kennedy verkündeten Motto der „New Frontier“ folgte der Niedergang in den 70er Jahren mit dem Verlust des Vietnam-Kriegs und der Ölkrise. Dann die spektakuläre Wiedergeburt in den 80ern und der Bruch 1990. Er war maßgeblich darauf zurückzuführen, dass die westliche Welt sich nach dem überraschenden Zusammenbruch des Sowjetreichs völlig neu organisieren musste und ihre finanziellen Mittel dringend für die Integration der östlichen Märkte benötigte.
In der Folge, unter den Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush, bestimmten die Finanzmärkte und ein entfesseltes Bankensystem das Geschehen. Riesige Mengen Geld wurden freigesetzt und bewirkten ab 1998 einen Aufschwung des Kunstmarkts, der die Zahlen der 80er Jahre weit übertraf.
Einen wesentlichen Einfluss hatte Ende 1999 die Entscheidung der internationalen Auktionshäuser, junge Gegenwartskunst in ihr Programm aufzunehmen. Die Auktionen waren ein Schock, konterkarierten sie doch die Aufbauarbeit der Galerien. Von vielen, nicht zuletzt auch Künstlern, wurden sie als Verrat an der Sache bewertet. Die Verärgerung der Galeristen hielt sich aber in Grenzen. Schnell erkannten sie die Chance, durch gezieltes Mitbieten die Marktpreise junger Kunst stabil zu halten und – besser noch – rechtzeitig vor geplanten Eröffnungen in die Höhe zu treiben. Maßgeblichen Einfluss nahmen auch die Großmeister und Milliardäre Bernard Arnault, François Pinault und Charles Saatchi, die mit offenem Visier dazu übergingen, Kunst für ihre globalen Marktstrategien zu instrumentalisieren. Und mit dabei die vielen Spekulanten, Investmentbanker, Hedgefondsmanager und Finanzjongleure, die im Überfluss des Geldes auf junge Kunst setzten, langfristig in dubiosen Fonds angelegt und kurzfristig über Auktionen wieder auf den Markt geworfen.
Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte ist nicht frei von Ironie. Angetreten mit dem Ziel der Avantgarde, die Kunst jenseits elitärer Vorstellungen im Leben der Menschen zu verankern, ist sie eben dort wieder angekommen. In einer Gesellschaft des Spektakels mit gesponserten Events und Großveranstaltungen, die Kunst zu Kulturbetriebsmitteln degradieren, und in einem
Kunstmarkt mit Spitzenpreisen für wichtige Arbeiten, die nur wenige Reiche und exquisite Kunstinstitutionen aufbringen können. Man darf diese Entwicklung getrost als Refeudalisierung der Kunst verstehen. Signifikant die von Pinault finanzierte Ausstellung von Jeff Koons auf Schloss Versailles im September 2008. Aber es sollte nur eine Woche später der 15. September 2008 sein, der wie kein anderes Datum ein Schlaglicht auf die Zusammenhänge von Kunst, Kommerz und Spekulation geworfen und Geschichte geschrieben hat. Es ist der Tag, an dem Damien Hirst unter Umgehung seiner Galerien und maßgeblichen Förderer Charles Saatchi, Jay Jopling und Larry Gagosian bei Sotheby’s London mehr als 200 speziell für die Auktion hergestellte Werke einlieferte und für sagenhafte 111 Millionen Pfund versteigern konnte. Und es war der Tag, an dem in New York die Lehman Brothers Bank Bankrott erklären musste mit Auswirkungen, die bis heute weltweit ganze Volkswirtschaften beschäftigen.
Die Spekulanten – in der Hautsache Investmentbanker und Hedgefondsmanager – sind nach Aufdeckung ihrer Machenschaften im Zuge des Lehman-Bankrotts inzwischen größtenteils verschwunden, und mit ihnen der Kunstmarkt, der so exzessiv auf den Hype des Jungen und Neuen setzte. Die Programmgalerien tun sich schwer. Und doch vermelden die Medien immer neue Rekordpreise für Kunst. Die Reichen dieser Welt schert die Krise wenig. Sie setzen auf anerkannte Kunst, die sie auf Auktionen und bei den Spitzengalerien, die längst einen großen Teil ihres Umsatzes als Kunsthändler erzielen, auf dem „secondary market“ erwerben. Für die Reichen ist Kunst Anlage, man spricht von einer Flucht in die Sachwerte in Zeiten der Niedrigzinsen, auch gelegentlich von Geldwäsche; in erster Linie ist für sie Kunst aber ein Statussymbol.
Die Kunst ist in der heutigen Gesellschaft zu einer neuen Leitkultur aufgestiegen und wie der Spitzensport und das Showbiz im System der internationalen Unternehmen und Massenmedien fest verankert. Produkte und Nachrichten erfahren durch sie eine Aufwertung. Es geht um Wünsche, Sehnsüchte und die Individualität der Menschen. Die Grenzen zu Design, Mode und Werbung sind längst überschritten. Als kreatives Potenzial werden Kunst und Kultur auf allen Bezugsebenen angezapft und vermarktet. So berichtete unlängst das deutsche Boulevardblatt „Bild“ von der Eröffnung der Art Cologne: „Wichtige Kunst, noch wichtigere VIPs! Kunst ist zur Religion der High Society geworden. Ehrengast beim Auftakt war Gabriele Inaara Begum Aga Khan. Sie war noch schöner als so manche dargebotene Kunst.“
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