Experiment Metropole
1873: Wien und die Weltausstellung
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Ausstellung15.05.2014 - 28.09.2014
Nach der Großausstellung „Kampf um die Stadt“ zu Politik, Kunst und Alltag um 1930 zeigt das Wien Museum wieder ein Epochenpanorama: Diesmal geht es um die Zeit um 1870, eine entscheidende Transformationsphase Wiens auf dem Weg zur modernen Großstadt mit Metropolenanspruch. Um 1850 hatte Wien 550.000 Einwohner, zwanzig Jahre später bereits rund eine Million.
1873 wurde für die Stadt zum entscheidenden Schwellenjahr. Wie der Bau der Ring- straße, symbolisierte die Weltausstellung den Ehrgeiz Wiens, internationale Bedeutung zu erlangen. Sie war die erste globale Leistungsschau, die nicht in London oder Paris stattfand, und man protzte mit Superlativen: Fünfmal größere Fläche als zuvor in Paris, 53.000 Aussteller aus 35 Ländern, 194 Pavillons in extravaganten Baustilen, dazu der Industriepalast mit der 85 Meter hohen Rotunde, damals der größte Kuppelbau der Welt und neues Wahrzeichen für Wien, sowie eine 800 Meter lange Maschinenhalle. Über sieben Millionen BesucherInnen kamen vom 1. Mai bis zum 2. November, doch die Zie- le wurden nur zum Teil erreicht. 1873 war auch das Jahr des großen Börsenkrachs, mit dem eine Phase des Wirtschaftsbooms und des Fortschrittsoptimismus jäh zu Ende ging.
Die Ausstellung im Wien Museum erzählt von großen Bauprojekten und sozialen Auf- steigern der Gründerzeit, von sozialem Elend, Migration und dem Anfang der Massen- parteien, von der Beschleunigung der Mobilität und dem Fortschritt in Medizin und Technik, von den Moden der Zeit und einer Hochblüte der dekorativen Künste. Ein überwiegender Teil der rund 1000 Exponate stammt aus der Sammlung des Wien Mu- seums. Im Zentrum steht der umfangreiche Bestand der Wiener Photographen-Asso- ciation von über 1600 Fotos, von denen viele gezeigt werden. Zu sehen sind auch zahl- reiche Originalobjekte, die auf der Weltausstellung 1873 präsentiert wurden. Die Schau ist nach „Alt-Wien. Die Stadt, die niemals war“ (2004) und „Kampf um die Stadt. Politik, Kunst und Alltag um 1930“ (2009) das letzte Ausstellungs-Großprojekt von Wolfgang Kos im Wien Museum, dessen Direktionszeit nächstes Jahr zu Ende geht.
Ein „Fest des Fortschritts“: Wie es zur Weltausstellung kam 1867 war ein Wendejahr: Nach katastrophalen Jahren erholte sich die Wirtschaft schlagartig. Eine „Wunderernte“ eröffnete Exportchancen, mit der Staatsreform, aus der die Doppelmonarchie resultierte („Ausgleich“ mit Ungarn), stellte man die Handels-, Zoll- und Steuerpolitik auf eine neue Grundlage. Als Motoren des Aufschwungs fungier- ten Eisenerzeugung, Maschinenindustrie und Baubranche. Wien etablierte sich als Fin- anzplatz, bis 1873 schossen unzählige, teils dubiose Aktiengesellschaften aus dem Boden.
Diese „fetten“ Jahre boten die Gelegenheit, um einen von Industriellen, Gewerbetrei- benden und Handelspolitikern sowie von Befürwortern einer Kunstgewerbereform lange gehegten Plan in die Tat umzusetzen: eine Weltausstellung in Wien. Seit der „Great Exhibition of the Works of Industry of All Nations“ in London 1851 hatte es drei weitere Weltausstellungen (1855 und 1867 in Paris, 1862 in London) gegeben. Diese „Feste des Fortschritts“ fungierten nicht nur als Plattform für den globalen Wissensaustausch zwischen Ingenieuren und Fabrikanten, sondern boten der bürgerlichen Gesellschaft und dem Gastgeberland eine ideale Bühne für Selbstinszenierung und Imagegewinn. Das gründerzeitliche Wien befand sich „auf der Überholspur“ und beabsichtigte, sich der Welt gleichsam im Laborbericht als moderne Großstadt auf dem Weg zur Metropole zu präsentieren.
Erst 1870 – also knapp drei Jahre vor Eröffnung – erließ Kaiser Franz Joseph eine aller- höchste Entschließung zur Abhaltung der Weltausstellung, gegen den Widerstand der Gemeinderäte, der kommunalen Behörden sowie des Wiener Bürgermeisters Cajetan Felder, der vor zu hohen Kosten warnte. Noch war der Einfluss der Kommunalpolitik begrenzt, doch mit dem Ende des neoabsolutistischen Regimes ab den 1860er Jahren erweiterte sich deren Spielraum. Zum weithin sichtbaren Symbol des gestiegenen Selbstbewusstseins der Kommune gegenüber dem Kaiserhaus wurde das monumen- tale neue Rathaus, mit dessen Bau 1873 begonnen wurde.
Die Stadt als Baustelle
Die Kommunalpolitiker der liberalen Ära stellten die Weichen für eine technische Infra- struktur, die zur Voraussetzung des ökonomischen Aufschwungs wurden und die Stadt radikal veränderte. Dazu zählte etwa die Donauregulierung, die aufgrund des Hoch- wasserschutzes, aber auch wegen der Stadterweiterung in Angriff genommen wurde. Vom Näherrücken der Donau an die Stadt mittels eines Durchstichs erwartete man sich Handels-, Gewerbe- und Verkehrsvorteile, die Donau sollte zur Wasserstraße werden. Die Idee, den Hauptstrom in ein einheitliches und geradliniges Bett zu fassen, war nicht neu. Doch erst jetzt, mithilfe neuer Dampfmaschinen, konnte dieser Plan innerhalb weniger Jahre – von 1869 bis 1875 – ausgeführt werden.
Das teuerste städtische Infrastrukturprojekt war der Bau der Ersten Hochquellenwas- serleitung (1870-73), die alpine Quellen aus dem Rax-Schneeberg-Gebiet für die Millionenstadt erschloss. Aufgrund von Planungsfehlern sowie rasant steigendem Was- serbedarf kam es jedoch in Folge immer wieder zu Wassermangel. Neben der Wasser- ver- und -entsorgung wurde ein weiteres hygienisches Problem angegangen: Wie die gesamte Stadt mussten auch die ‚kommunalen‘ Friedhöfe zur Jahrhundertmitte drin- gend erweitert werden. 1863 beschloss der Gemeinderat eine zentrale Planung, elf Jahre später wurde der Zentralfriedhof in Simmering offiziell eröffnet. Zur „Begräbnis- frage“ gehörten technische, religiöse und kulturelle Aspekte, die in Wien kontrovers diskutiert wurden.
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15.05.2014 - 28.09.2014
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag und Feiertag, 10 bis 18 Uhr
24. Dezember: 10 bis 14 Uhr; 25. Dezember und 1. Jänner:v geschlossenEintritt:
Erwachsene: 8 €. Ermäßigt 6 € (SeniorInnen, Wien-Karte, Ö1-Club, Menschen mit Behinderung, Studierende bis 27 Jahre, Lehrlinge, Präsenz- und Zivildiener, Gruppen ab 10 Personen) Kinder und Jugendliche unter 19 Jahre - Eintritt frei! Jeden ersten Sonntag im Monat für alle BesucherInnen - Eintritt frei!Katalog zur Ausstellung:
Edith Tudor-Hart. Im Schatten der Diktaturen (dt.) Edith Tudor-Hart. In the Shadow of Tyranny (engl.), Hg.: Duncan Forbes im Auftrag des Wien Museums, Hatje Cantz Verlag,152 Seiten, EUR 24,-