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Henri Matisse


"Meine Federzeichnung ist meine unmittelbarste Ausdrucksform mit größter Vereinfachung des Mittels. Dennoch enthalten diese Zeichnungen mehr, als die Leute darin sehen wollen. Es sind Lichtquellen, denn wenn man sie an einem düsteren Tag oder bei indirekter Beleuchtung betrachtet, sieht man nicht nur den Lebenssaft in der Linie pulsieren, sondern ganz deutlich das Licht und verschiedene der Farbe entsprechende Werte aufleuchten. Diese Eigenschaften rühren davon her, daß den Zeichnungen immer Studien mit einem weniger harten Mittel als der Feder vorausgehen, das erlaubt, den Charakter des Modells, das es umfließende Licht, sein Ambiente und all das gleichzeitig zu berücksichtigen. Erst wenn ich die Empfindung habe, daß diese Arbeit alle meine Möglichkeiten restlos erschöpft hat, kann ich mit geklärtem Geist meine Feder gehen lassen. Ich habe dann den bestimmten Eindruck, daß sich mein Empfinden der gestaltenden Schrift als Mittel der Aussage bedient. Sobald mein bewegter Strich das Licht auf meinem weißen Papier modelliert hat, ohne daß es seiner rührenden Weiße verlustig gegangen wäre, kann ich nichts mehr zufügen, nichts mehr wegnehmen, die Seite ist geschrieben. — Sie enthält, soweit mir dies möglich ist, eine Synthese all jener verschiedenen Ansichten, die ich mir während der vorausgegangenen Studien mehr oder weniger zu eigen machen konnte. — Obwohl sich überkreuzende Linien und Halbtöne fehlen, verbiete ich mir das Spiel der Valeurs, der Modulationen nicht. Ich modelliere mit meinem mehr oder weniger breiten Strich und vor allem mit den Flächen, die er auf meinem weißen Papier umgrenzt. Ich modifiziere die verschiedenen Teile meines weißen Papiers, ohne daran zu rühren, nur durch die Nachbarschaften. — Zur Perspektive: Meine endgültigen Federzeichnungen haben stets ihre Lichtfläche, und die Gegenstände, die sie ausmachen, sind verschieden gestuft, d. h. perspektivisch, aber in der Perspektive des Gefühls, in einer Perspektive, die vom Gefühl eingegeben worden ist."





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