Zürich
Kunsthaus Zürich restauriert bedeutendes Gemälde von Ferdinand Hodler
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Presse14.03.2012
Ferdinand Hodler (1853-1919), der herausragende Schweizer Maler an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, schuf zwei Fassungen seiner bedeutenden Komposition «Die Wahrheit». Beide werden im Kunsthaus Zürich aufbewahrt. Jetzt wird die erste Fassung restauriert. Damit wird ein kraftvolles und zugleich subtiles Hauptwerk von Hodler neu erschlossen und gemeinsam mit der zweiten Fassung ab 2013 zugänglich gemacht.
Das monumentale, 196 x 273 cm grosse Ölgemälde «Die Wahrheit» entstand in seiner ersten Fassung 1902. Es entstammt der Sammlung Alfred Rütschi und kam 1918 als Leihgabe ins Kunsthaus Zürich. 1929 ging es als Geschenk der Erben an das Kunsthaus über. Dieses Werk ist Gegenstand eines wichtigen Restaurierungsprojekts, das jetzt in Angriff genommen wird. Eine zweite, stärker stilisierte Fassung der «Wahrheit» (1903) schuf Hodler für die Ausstellung in der Wiener Secession von 1904. Dieses Werk gehört der Stadt Zürich und ist seit 1930 als Leihgabe im Kunsthaus deponiert. Im Gegensatz zu seinem Pendant ist es technisch anders ausgeführt, besser erhalten und wird in der Regel ausgestellt.
DIE WARHEIT BESIEGT DIE DUNKLEN MÄCHTE
Die beiden sehr verwandten Kompositionen zeigen jeweils in der Mitte eine unbekleidete Frau, die links und rechts von unheimlichen «Dunkelmännern» umgeben ist. Diese wenden sich, symmetrisch angeordnet, von ihr ab. Dabei repräsentiert die Frau für Hodler die Wahrheit, vor der die Mächte des Dunkeln fliehen müssen. Von der Entwicklung Hodlers her kann die Komposition der «Wahrheit» als symbolistische Umsetzung des frühen Historienbildes «Calvin und die Professoren» (1883/84; Musée d'art et d'histoire, Genf) betrachtet werden. Sie entwickelt sich im Umfeld der symbolistischen Kompositionen der 1890er Jahre und löst sich 1898/99 in der definitiven Form aus den Kompositionsideen für den «Tag» (1904-1907), einem weiteren bedeutenden Werk in der Sammlung des Kunsthauses. Die heutigen Besucher kennen die zweite, komplett ausgearbeitete Fassung. Hier erscheint die allegorische Figur der Wahrheit wie eine souveräne Dirigentin der halbnackten, stämmig inszenierten Muskelmänner der Finsternis. Diese umschreiten die Frau wie in einem wohl einstudierten Ballett und halten dabei betont expressiv ihre abwehrenden Arme über den Kopf. Die erste Fassung wirkt demgegenüber archaischer und reduzierter. Die Männergestalten sind zu grossen Teilen von ihren dunklen Kapuzenkleidern bedeckt und wirken so wie unheimliche Schatten. Das Tänzerische und die pathetische Expressivität der Gebärden der zweiten Fassung fehlen. Die Wahrheit erscheint als überirdisches Wesen, dessen leuchtender Blick wirkungsvoll mit der dunklen, opaken Masse der Gewandfiguren kontrastiert. Für heutige Betrachter kann gerade die schlichtere Anlage und mattere Malweise des ersten Gemäldes besonders faszinierend wirken. Sie verleihen dieser Fassung eine ursprüngliche Kraft.
DIE RESTAURIERUNG
Aufgrund seiner Maltechnik weist das Gemälde diverse konservatorische Probleme auf: Die Malschicht ist wegen der geringen Bindemittelanteile und der kaum vorhandenen Grundierung splittrig, neigt zu starker Craquelé- und Schüsselbildung und «pudert» ab. Die schlechte Haftung der Farbe auf der Leinwand führte bereits zu Malschichtverlust und gefährdet die Malerei akut. Die bei früheren Restaurierungen ausgeführten Retuschen haben sich im Laufe der Zeit in ihrer Farbigkeit verändert und stören den ästhetischen Gesamteindruck. Die im Restaurierungsatelier des Kunsthauses beginnenden konservatorischen und restauratorischen Massnahmen umfassen in erster Linie die grossflächige Festigung und Stabilisierung der extrem matten Malerei. Schon die Reinigung der Oberfläche ist eine delikate Angelegenheit. Durch Tests wird das passende Konsolidierungsmittel bestimmt, dass bei Anwendung weder eine Verdunkelung der Farbigkeit noch eine Bildung von Glanzstellen hervorruft. Kunsttechnologische Untersuchungen, die Fragen zu Malschichtaufbau, Unterzeichnung sowie den verwendeten Materialien (Art des Bildträgers, Bindemittel, Pigmente etc.) klären sollen, werden diese Arbeiten begleiten. Die Festigung der fein craquelierten Malschicht ist ein zeit- und arbeitsaufwendiger Prozess, ebenso die daran anschliessenden Kittungs- und Retuschearbeiten der kleinteiligen Malschichtausbrüche. Es ist in diesem Zuge auch angedacht, ältere, nicht stimmige Retuschen und Übermalungen abzunehmen bzw. zu reduzieren.
UNTERSTÜTZUNG DURCH MERRILL LYNCH ART CONSERVATION PROJECT
Die Restaurierung profitiert von einem einmaligen Programm, dem Bank of America Merrill Lynch Art Conservation Project. Initiiert im Jahr 2010 leistet es Beiträge an Nonprofit-Museen in weltweit 19 Ländern. Damit wird der Erhalt von Kunstwerken und kunsthandwerklichen Gegenständen unterstützt, die für die nationale Kultur von herausragender historischer oder kultureller Bedeutung sind. Zu den 2012 in Europa, dem Nahen Osten und Afrika begünstigten Projekten gehört die Restaurierung einer frühen Zeichnung Leonardo Da Vincis im Castello Sforzesco in Mailand, fünf Gemälde Marc Chagalls aus dem Tel Aviv Museum of Art sowie das von Tintoretto wohl grösste je auf Leinwand ausgeführte Gemälde (Museo Thyssen-Bornemisza, Madrid). Das Programm versteht sich als internationaler Beitrag an die Kunstwelt. Indem es die Restaurierung bedeutender Werke ermöglicht, steigert es die öffentliche Anerkennung und Wertschätzung weltweit.
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