Archäologische Museum
Archäologen stellen erste Ergebnisse der Ausgrabungen an der Harburger Schloßstraße vor
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Presse28.01.2013
Das Archäologische Museum Hamburg führt seit März 2012 im Bereich der Harburger Schloßstraße eine der bisher größten Stadtkerngrabungen Hamburgs durch. Bis 2014 wird hier in vier Grabungsabschnitten eine Fläche von über 2.000 m2 wissenschaftlich dokumentiert. Anschließend entsteht dort ein neues Wohnviertel im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg. Nun stellen die Archäologen erste Ergebnisse ihrer Ausgrabungen vor.
Über 10.000 archäologische Fundstücke konnten die Archäologen bisher bergen, und der Boden unweit der früheren Harburger Festung hält für die Archäologen immer wieder neue Überraschungen bereit. Eine besondere Herausforderung stellt die Tiefe der Ausgrabungen dar: Die Wissenschaftler des Archäologischen Museums Hamburg müssen sich bis zu 4,50 m unter das heutige Straßenniveau vorarbeiten. Besonders begeistert sind sie von der außergewöhnlich guten Erhaltung der Funde. Der feuchte Boden im Niederungsbereich der Elbe konservierte die bis zu 800 Jahre alten Fundstücke ungewöhnlich gut.
„Schon der bis jetzt erreichte Erkenntnisstand ist außerordentlich hoch einzuschätzen und übertrifft unsere Erwartungen“, so Prof. Dr. Rainer-Maria Weiss, Direktor des Archäologischen Museums und Landesarchäologe von Hamburg. So wurden neue Einblicke zum Hausbau, zum Werftbetrieb, zu Handel und Handwerk sowie zahlreichen anderen Bereichen des täglichen Lebens gewonnen. Die große Bandbreite der archäologischen Spuren und die Anzahl und Qualität der einzelnen Funde belegen die hohe Bedeutung, die der Region seit hunderten von Jahren nicht nur als Siedlungsgebiet, sondern auch als Verkehrsknotenpunkt zukam.
Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:
Die frühen Harburger lebten auf Wurten
Seit den ersten Ausgrabungen in der Harburger Schloßstraße wurde davon ausgegangen, dass die Stadt spätestens ab dem 13. Jh. als zum Schloss gehörige Straßensiedlung entlang des Wegedamms auf Wurten angelegt wurde. Im Grabungsfeld 1 in der Harburger Schloßstraße 25-27 gelang es zum ersten Mal, innerhalb einer Ausgrabung mehrere Grundstücke zu erfassen. Zu den wesentlichen Ergebnissen gehört dabei der Nachweis von wurtenartigen Aufschüttungen, die in den Basisbereichen der Siedlungsschichten dokumentiert werden konnten. Das ursprüngliche Gelände war im Mittelalter mit sandigen und torfigen Materialien um mindesten 80 cm aufgehöht worden, um die darauf errichteten Häuser vor dem bis in die Elbniederung hineinreichenden Tidenhub zu schützen.
Eine Reise durch die Schichten: Harburg wurde immer wieder durch Brände zerstört
Zu den wichtigsten Fixpunkten einer Stadthistorie zählen Zerstörungsereignisse. Für Harburg sind drei großflächige Brände mit einer nahezu vollständigen Zerstörung der Stadt überliefert. Während im Jahr 1396 die Stadt bei Kampfhandlungen niedergebrannt wurde, wurden die kurz aufeinanderfolgenden Stadtbrände von 1536 und 1564 wahrscheinlich zufällig ausgelöst. 1536 brannte die Stadt bis auf neun Häuser, 1564 bis etwa zur Hälfte der Schloßstraße ab. Die chronologische Fixierung dieser Brandschichten innerhalb der Ausgrabung gelang durch einen archäologischen Glücksfall. Aus der obersten Brandschicht, die eine Mächtigkeit von bis zu 30 cm aufwies, konnte ein Nürnberger Rechenpfennig mit dem eingeprägten Jahr 1555 geborgen und somit die entsprechende Schicht mit dem Feuerereignis von 1564 in Verbindung gebracht werden.
Parzellierung der Grundstücke an der Harburger Schloßstraße
Die nahezu vollständige Zerstörung der Stadt im Jahr 1536 wurde offensichtlich zu einer Neuordnung der Parzellen und Grundstücke genutzt. Vom 13. bis ins 16. Jh. wurde im Bereich des Grabungsfeldes ein einzelnes, immer wieder neu errichtetes und erweitertes Gebäude mit fünf Bauphasen und zugehörigen Graben- und Wegeverläufen entdeckt. Nach 1536 wurde das Areal in vier Parzellen von jeweils 4,20 bis 4,50 m Breite aufgeteilt und bebaut. Eine solche Neuordnung der Besitzverhältnisse konnte nur unter dem Einfluss des neuen Landesherren Herzog Otto zu Braunschweig und Lüneburg zustande kommen, der seit 1527 im Harburger Schloss residierte und sowohl die Stadt als auch das Schloss stetig ausbauen ließ.
Mit dem Aufstieg der Stadt während der Herrschaft der Harburger Herzöge ging auch ein gewissen Wohlstand einher. Im archäologischen Fundgut macht sich dies durch zahlreiche Importfunde aus dem südlichen Niedersachsen und nördlichen Hessen, dem Rheinland sowie aus den Niederlanden bemerkbar. Funde von reich verzierten Ofenkacheln und Teile von bemalten Fensterscheiben belegen den Reichtum der ansässigen Bürgerschicht. Daneben fallen vor allem zahlreiche Waffenfunde ins Auge, die möglicherweise vor Ort produziert worden sind, um den Bedarf der Festung zu decken.
Schiffbau und Werftbetrieb
Zu den neuen Erkenntnissen gehört auch der Nachweis des Schiffbaus in Harburg. In allen Siedlungsschichten des 13. bis zum 16. Jh. fanden sich sogenannte Sinteln. Diese krampenartigen Eisenobjekte wurden zum Kalfatern von Schiffsplanken verwendet. In der maritimen Archäologie werden diese Funde zumeist mit dem Bau der hansischen Koggen in Verbindung gebracht. Zu diesen Kleinfunden passend wurden in verschiedenen Schichten Schiffsteile aus Holz geborgen, die für Reparaturmaßnahmen an Gebäuden oder andere geringwertigere Holzarbeiten verwendet wurden. Diese sekundäre Verwendung von Schiffsteilen ist aus vielen mittelalterlichen und neuzeitlichen Ausgrabungen bekannt. Das Holz abgewrackter Schiffe war billig und stellte trotzdem Material allererster Qualität dar. Im Fall von Harburg weisen diese Funde zusammen mit den Funden von Kalfatklammern (Klammern zur Befestigung des Stopfwerks zwischen den Bordplanken) zusätzlich auf die Existenz eines Werftbetriebes innerhalb der Stadt hin.
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