Wien 1900. Sam
Wien 1900. Sammlung Leopold
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Ausstellung10.07.2008 - 31.03.2010
Hier wird erstmals in offener und nachdrücklicher Form die tragische Liebesgeschichte zwischen Richard Gerstl (1883-1908) und Mathilde Schönberg geschildert, aber auch auf die Künstlerfreundschaft zwischen dem Komponisten Arnold Schönberg (1874- 1951) und Gerstl hingewiesen. Zum 100. Mal jährt sich heuer Gerstls Todestag. Aus unglücklicher Liebe und gesellschaftlicher Isolation beging er am 4. November 1908 im Alter von 25 Jahren Selbstmord. An einer Hörsäule kann man den 3. und 4. Satz von Arnold Schönbergs fis-Moll Quartett hören, in dem Schönberg neben anderen Kompositionen die dramatischen Ereignisse von 1908 verarbeitet hat. Durch eine Sopranpartie werden in demselben Quartett auch zwei Gedichte von Stefan George (1868-1933) vertont, die fast wie ein Text zur tragischen Dreiecksbeziehung gelesen werden können. Im Zentrum des Raumes befindet sich ein 6-füßiger Tisch, entworfen von Adolf Loos (1870-1933).
Suchobjekt: Foto aus einer „Körperaktion" von Günther Brus - der Einsatz des eigenen Körpers des Künstlers zeigt eine gewisse Entwicklungslinie vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis über die Mitte hinaus: ist der Körper des Künstlers zuerst frohe Botschaft der Kreativität und Weisheit („Selbstbildnis vor blauem Hintergrund", 1904/05) wird er schon wenige Jahre später zum Träger von Leid und Isolation („Selbstakt in stehender Figur", 1908). Bei den Wiener Aktionisten zeigt der Körper einerseits die Einengung durch die herrschenden Verhältnisse, andrerseits deren mögliche Überwindung; er wird zum Spiegel der Gesellschaft.
SAAL „EXPRESSIONISMUS - KOKOSCHKA UND SCHIELE"
Dieser Raum zeigt im Unterschied zu den ästhetischen und symbolistischen Tendenzen der Wiener Werkstätte die nackte Wahrheit der menschlichen Kreatur - Aquarelle von Egon Schiele, Zeichnungen von Hans Böhler und Ludwig Heinrich Jungnickel - sowie dramatische Verstrickungen von Liebespaaren - Lithografien von Oskar Kokoschka.
Die schönste Landschaft des Letzteren, die „Tre Croci" in den Dolomiten sowie Schieles unvollendet gebliebenes Gemälde „Liebespaar" werden einander gegenüber gestellt.
Zitate aus Kokoschkas Schriften und einer Erzählung von Robert Musil machen den geistigen Hintergrund spürbar.
Suchobjekt: Foto Lisa Bufano aus der Serie „Vom Charme des Makels" von Gerhard Aba - diese Fotos stellen, so wie der Expressionismus, das Leiden und die körperverhaftete Existenz der menschlichen Kreatur dar, wenn sie auch bei Aba und Bufano tragikomisch ironisiert werden. Dennoch werden über der Wahl des Themas formale Kriterien beim Bildaufbau nicht vernachlässigt, im Gegenteil, auch sie spielen in der Kunst der österreichischen Spielart des Expressionismus wie auch in der Produktion des Wiener Fotografen eine tragende Rolle.
SAAL „ERSTER WELTKRIEG - ENDE EINER ÄRA"
Im letzten Raum mündet der Rundgang sinnbildlich in den 1. Weltkrieg, der zugleich das Ende einer Epoche bedeutete. Antikriegsgemälde von Albin Egger-Lienz (1868-1926), Werke von Anton Kolig (1886-1950) und Herbert Boeckl (1894-1966) - das radikale „Porträt Josef von Wertheimstein" (1921) - die auf die Kunst der Zwischenkriegszeit vorausweisen, Kriegsfotografien sowie Informationen zu einzelnen Künstlerbiografien und anderes beschließen die Ausstellung. 1918 ist das Todesjahr von Otto Wagner (1841- 1918), Egon Schiele, Kolo Moser. Das Jahr ist Ende und Neubeginn. Die erzwungene Neuorientierung öffnet den Weg für neue Kunstströmungen. Werke von Kolig, Boeckl und Kubin bilden die Brücke zur Kunst der Zwischenkriegszeit. Die Verbindung von
Lyrik und Philosophie wird von einer Tagebucheintragung Ludwig Wittgensteins (1889-1951) aus dem Jahr 1914 konkret. Wie aus dem Eintrag und Wittgensteins Biografie (Ray Monk) hervorgeht, wollte sich der Philosoph mit dem Dichter Georg Trakl (1887- 1914) treffen. Jener verstarb just zu diesem Zeitpunkt unter ungeklärten Umständen, vermutlich durch Selbstmord oder aufgrund von Drogenkonsum. Das Treffen kam nie zustande. Die apokalyptischen „Letzten Tage der Menschheit" von Karl Kraus (1874- 1936) sind als Hörbeispiel präsent in der Auswahl durch Helmut Qualtinger. Das Begräbnis Kaiser Franz Josephs I. (1830-1916) im Jahr 1916 sowie Szenen aus dem ersten Weltkrieg werden als Filmdokument gezeigt. Fotos aus dem 1. Weltkrieg aus der Sammlung von Fritz Simak ergänzen das Bild einer Zeit deren kulturelle Blüte durch den Untergang einer Ära endete und doch den Weg für Neues freimachte. Die Ausrufung der Republik versprach den Weg in die Demokratie. Ein Traum der schon zwei Jahrzehnte später durch den Einmarsch Hitlers enden sollte ...
Suchobjekt: Heinrich Heuer, „Guillotine" - das surrealistische Bild vereint collagenhaft verschiedene Elemente - fallende Körper, Zielscheiben etc. -, die zusammengenommen die Bedrohung durch Kriegsereignisse zeigen; das Schablonenartige macht überdies die Reduktion des Menschlichen in einem Raum der Gewalt erfahrbar.
KURATOREN / HÄNGUNG
Diethard Leopold
Elisabeth Leopold
Rudolf Leopold
Peter Weinhäupl
PROJEKTLEITUNG
Diethard Leopold
Peter Weinhäupl
Gratis-Führungen zur Ausstellung jeweils Sonntags und an Feiertagen, um 15.00 Uhr
Anmeldung und Information: +43/1/525 70-1525
kunstvermittlung@leopoldmuseum.org
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10.07.2008 - 31.03.2010