Neuguinea
WALD / BAUM / MENSCH
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Ausstellung07.09.2011 - 28.05.2012
Ein Wald aus vier Meter hohen, kalkweiß bemalten Pfählen mit übereinander aufgetürmten Ahnenfiguren der Asmat aus Südwest-Neuguinea empfängt die BesucherInnen. Die Asmat sind davon überzeugt, dass ihre Vorfahren einst vom Urzeit-Heroen, dem „Windmann“, aus einem Baumstamm gefertigt und mit einer Trommel zum Leben erweckt wurden. Unweit dieser beschnitzten Mangrovenstämme stehen ein riesiges hölzernes Tempeltor aus Myanmar, eine massive Ölpresse aus der Oase Siwa in Ägypten, das Rollenkostüm der Hexe Baba Yaga, der populärsten Gestalt der russischen und ostslawischen Märchen, sowie eine aus einem Baumstamm ausgehöhlte überdimensionale Schlitztrommel aus Neuguinea, deren Klang Feinde und gefürchtete Geister abschrecken sollte. Nach Gebrauch wurden auf den Neuen Hebriden derartige Trommeln senkrecht nebeneinander aufgestellt, um damit bei ungebetenen „Gästen“ den Eindruck eines undurchdringlichen „Waldes“ zu erwecken. An den Wänden hängen Frauengewänder der Maya mit bestickten Lebensbaummotiven, ein geknüpfter persischer Bildteppich, auf dem ein Held – für die einen der heilige Georg oder der heilige Theodor, für andere Rustam, der iranische Held aus der Poesie – einen Drachen im Zweikampf tötet, Thangkas aus Tibet und Nepal mit Heiligen Bäumen oder unter einem Baum in Meditation versunkene Einsiedler, monumentale Gemälde mit österreichischen Jagdszenerien sowie Kohlezeichnungen des Malers Anton Velim von Holzfällern bei ihrer Arbeit in der Schneegrube am Ötscher. Bemalte Ritualkarten aus der Mongolei zeigen Furcht einflößende Waldgeister aus vorbuddhistischer Zeit.
Die Bedeutung des Waldes als notwendiger Rückzugsort für den Menschen spiegelt sich in der Anlage künstlicher Wälder, Parks und Gärten wider. Als Vorgeschmack des Paradieses waren Gartenidyllen ein beliebtes Thema auf Darstellungen aus der indischen Moghul-Zeit und auf persischen Lackmalereien. Opulent dekorierte Fliesen und Keramiken veranschaulichen die Liebe osmanischer und marokkanischer Töpfer zu Blumenmotiven und Pflanzenformen. Miniaturen hinduistischer Götter illustrieren den jugendlichen und liebestollen Krishna, der mit den betörenden Klängen seines Flötenspiels verheiratete Hirtenmädchen in den nächtlichen Wald lockt, oder den vielarmigen Shiva, der sich unter einem Baum strenger Askese unterzieht.
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2011 zum „Internationalen Jahr des Waldes“ erklärt. „Wir müssen das Internationale Jahr des Waldes nützen, um den Österreicherinnen und Österreichern die wichtige Bedeutung des Waldes näher zu bringen“, so Landwirtschafts- und Umweltminister Niki Berlakovich anlässlich der neuen Ausstellung. „Wichtige Multiplikatoren dabei sind unsere Partner, wie das Museum für Völkerkunde, das dieses Thema aufgegriffen und in seiner neuen Ausstellung auf faszinierende Weise verschiedene Dimensionen des Waldes aufbereitet hat.“
Anhand ausgewählter Themenfelder, die drei großen Bereichen („Der phantastische Wald“, „Der entzauberte Wald“ und „Der geschundene Wald“) zugeordnet werden, beleuchtet die Ausstellung aus kulturanthropologischer Sicht das einst vorhandene oder mittlerweile in Vergessenheit geratene enge Beziehungsgeflecht zwischen Menschen, Bäumen und Wäldern. „Mit der Ausstellung ‚Wald / Baum / Mensch‘ hat sich das Museum für Völkerkunde zum Ziel gesetzt, die Aufmerksamkeit der BesucherInnen auf die vielfältigen und kulturell bedingten Umgangsformen der Menschen mit Wald und Baum zu lenken“, erklärt Generaldirektorin Dr. Sabine Haag. „Seit urdenklichen Zeiten begleiten Wälder und Bäume die Menschen. Der Wald war für sie Lebensraum, unersetzlicher Bestandteil ihrer Lebensgrundlagen und real-fiktive Gegenwelt zugleich.“
Von Anbeginn projizierten Menschen ihre Ängste, Sehnsüchte und Vorstellungen auf Wälder und Bäume. In den unwegsamen, ordnungslosen, lichtarmen und unwirtlichen Wäldern waren die „Anderen“ zu Hause: „unzivilisierte Menschen“, furchteinflößende Tiere, Götter und Nymphen, übelwollende Geister oder absonderliche Phantasiegestalten, wie Drachen, Hexen, Trolle und der keulenschwingende „Wilde Mann“. In zahlreichen Kulturen galt der Wald als Ort höchster Gefahr und Gefährdung. Die Inka führten Kämpfe gegen die „Wald-Bewohner“, die sie auch auf rituellen Trinkgefäßen abbildeten und die für sie Wildheit und Chaos symbolisierten. Demgegenüber begreifen die Makuna, die die Regenwälder im südöstlichen Kolumbien bewohnen, den Wald nicht als Unheil verheißende Gegenwelt, sondern als unmittelbare Alltagswelt, als Überlebensraum, mit dem sie sich auf vielerlei Weise verbunden fühlen. Im Zentrum des Siedlungsgebiets der Piaroa im Süden Venezuelas ragt aus dem Regenwald ein gewaltiger Tafelberg empor, der Cerro Autana, den die Piaroa als versteinerten Stumpf des Weltenbaumes deuten, der in mythischer Urzeit sämtliche Früchte des Waldes getragen haben soll. In der griechisch- römischen Antike wachten die Waldgötter Pan und Silvanus über Wachstum und Gedeihen der Bäume des Waldes sowie der in den Wäldern weidenden Herden. Im Alten Ägypten erschienen Baumgöttinnen in Gestalt einer Sykomore, unter deren Zweigen die Toten von unvergänglicher Nahrung lebten. Heilige Wälder und Lebensbäume, etwa in Afghanistan, Indien und Mexiko, im Judentum, Christentum und Islam sowie bei den Maya, Batak und Dayak zeigen uns, dass Menschen unabhängig von Zeit und Raum Wälder und Bäume als Quelle des Lebens angesehen haben und vielfach noch ansehen.
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07.09.2011 - 28.05.2012