TRAUM VOM SÜDE
TRAUM VOM SÜDEN
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Ausstellung09.11.2007 - 09.03.2008
Hierbei war auch eine Chance gegeben, mit den Museen unserer Nachbarn im Osten in enge Kooperationen einzutreten, so dass wir heute erstmals noch nie in Österreich gezeigte Bilder aus den Sammlungen in Warschau, Krakau, Danzig, Posen und Sibiu präsentieren können. Damit leistet die Ausstellung auch einen wesentlichen Beitrag zur wissenschaftlichen Vertiefung des Phänomens der „italianisanten" Malerei.
Vom mythischen Arkadien zu Gelagen im Hinterhof
So möchten wir den Besucher gerne einladen, in unserer Ausstellung zuerst, zusammen mit den jungen Romfahrern im 16. Jahrhundert, die Antike zu entdecken und gleich darauf, zu Beginn des nächsten Jahrhunderts, das Licht in den Bildern Claudes, des Jan Both, des Jan Asselijn und seiner Kollegen. Unversehens gleitet der Betrachter dann in die Welt der griechischen Götter und jenes mythischen Arkadien, dessen Bühne allerdings immer Rom und das Forum Romanum bilden. Nach einem kurzen Intermezzo, das den Großmeister der italianisanten Landschaft, Nicolaes Berchem, als fulminanten Historienmaler zeigt, führt der Weg unvermittelt in die enge, aber pittoreske Welt der Hinterhöfe Roms, in denen das ungebildete, einfache und mittellose Volk ein malerisches Bild von einem anderen Rom abgibt, vom Rom der kleinen Leute, deren Lebensrealität Welten entfernt war von den aristokratischen Sammlerkreisen Roms, die diese Bilder in ihrer Exotik schätzten und kauften. Drei Schlüsselbilder vermitteln das trink- und lebensfrohe Vereinsleben der ausländischen Künstler in Rom, der so genannten „Schilders Bent"; dies war im Grunde ein Zusammenschluss aller in Rom tätigen ausländischen Künstler im Sinne einer Solidargemeinschaft. Als die Niederländer aber entdeckten, wie sehr sie mit ihren bizarren Aufnahmeriten und ihren Gemeinschaftsbesäufnissen die offiziellen Vertreter des römischen Kunstlebens in der Akademie Roms reizen konnten, pflegten sie dieser Bräuche um so mehr im Sinne einer Karikatur der offiziellen Kunstszene Roms.
Rombilder von Künstlern, die Rom nie gesehen haben
Die Darstellungen der Lebenswirklichkeit in Rom macht dann jener breiten Palette südlicher Landschaftsentwürfe von Künstlern Platz, die Italien nie gesehen hatten, aber teilhaben wollten am boomenden Markt für ihre leichtfüßigen, farbsatten Landschaften, deren Sinn und Zweck mehr denn je die Dekoration gehobenen Wohnambientes war.
Eine Gruppe von Hafenansichten und Küstenlandschaften streift in diesem Zusammenhang auch noch den Themenkomplex von Fernweh und Reisen.
Damals und heute: Sehnsuchtsziel Süden
Mit Hilfe dieser ausgewählt schönen Bilder von Italien möchte die diesjährige Ausstellung der Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien also - passend zur kalten und finsteren Jahreszeit - den Besucher und Kunstfreund einladen, die kleine Flucht vor Kälte, Nässe und Lichtmangel zu träumen.
War doch dieses Land in den Köpfen der Nordeuropäer über Jahrhunderte hinweg auch das Sehnsuchtsziel schlechthin: mit seiner Hauptstadt Rom als der Wiege der europäischen Kultur und Kunst, mit seinen sonnenerfüllten Landschaften ein der jeweiligen Wahrnehmung angepasstes „Arkadien" als einem Ort der Harmonie, des Friedens, der Lebenslust. So leben in diesen südlichen Landstrichen auch vorwiegend Hirten mit ihrem Vieh fern jeglichen Wettbewerbs, fern jeglichen Erwerbsstrebens, fern allen Überlebenskampfes, den der ländliche wie städtische Alltag für fast alle Menschen zu jeder Zeit bereithielt.
Das Symbolbild für diesen Zustand war im christlichen Glauben das Paradies vor dem Sündenfall, im humanistisch geprägten Verständnis des Menschseins jenes zeitentrückte und ferne Arkadien der griechischen Mythologie, dessen Hirten von den Dichtern des Altertums als die wahren Dichter gefeiert wurden und in deren utopischer Welt die Götter des Olymp ihr Unwesen trieben.
Reisen in der Hauptsache berufsbedingt
In früheren Jahrhunderten - relevant ist in dieser Ausstellung die Zeitspanne vom 16. bis zum 18. Jahrhundert - gab es allerdings keine Reisebüros, die dem Sonnenhungrigen die Flucht in den Süden im Pauschalarrangement ermöglichten. Das Reisen zum Vergnügen, ob nun aus Neugier, die Welt kennen zulernen oder um „mit der Seele zu baumeln", war noch nicht entdeckt. Dazu mussten sich die starren gesellschaftlichen Hierarchien in einem feudalen Staatssystem auflösen, es musste sich ein freies Bürgertum entwickeln - und das geschah nicht vor Aufklärung und Französischer Revolution.
Mobilität im Sinne von Reisen in fremde Länder gab es allerdings schon, allerdings berufsbedingt: Italienische Banker saßen in Brügge, niederländische und deutsche Kaufleute in allen bedeutenderen Handelsplätzen rund um das Mittelmeer, portugiesische und im 17. Jahrhundert vor allem niederländische Kaufleute in Indien, Fernost, Süd- und später Nordamerika.
Mühsame Künstler-Reise: Paris-Marseille-Livorno-Rom