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Patente Instrumente. Schnabelflöten, Trichtergeigen und andere Erfindungen

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Hat die Stradivari keine Konkurrenz? Wann verlor die Geige ihren Körper? Was ist eigentlich eine Schnabelflöte? Wie kam die Oboe zu ihrem Namen und die Querflöte zu ihren Klappen? Und seit wann darf auch die Dame Flöte spielen? Viele spannende Fragen entführen die Besucher in die Instrumenten- und Musikgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. In sechszehn Kapiteln erzählen rund 100 ungewöhnliche Instrumente aus der Sammlung Wolfgang Hanneforths davon, wie Geigenbauer, Ingenieure, Erfinder, Musiker, Uhrmacher, Goldschmiede und andere experimentierfreudige Handwerker Musikinstrumente als technisch-wissenschaftliche Objekte begriffen. Sie tüftelten, forschten, experimentierten und machten sich die neuesten technischen und physikalischen Erkenntnisse der jungen Wissenschaften zunutze, um nach dem perfekten Klang zu suchen. Die Ausstellung zeigt die Ergebnisse: Technisch außergewöhnliche und in ihrer Konstruktion innovative Streich- und Holzblasinstrumente. Zu den herausragenden Stücken der Ausstellung zählen die für frühe Tonaufnahmen von dem Ingenieur Johann Matthias Augustus Stroh entwickelten „Strohgeigen“ mit einem schallverstärkenden Metalltrichter oder Violinen mit außergewöhnlichen Korpusformen, wie die von François Chanot entworfene Violine mit gitarrenähnlichem Klangkörper. Zu sehen sind auch seltene Tanzmeister- oder Taschengeigen (Pochettes), verschiedene Stumme Geigen und Miniaturinstrumente. Von besonderem historischem Wert sind Französische und Englische Flageoletts, darunter Doppelflageoletts der Londoner Werkstatt von William Bainbridge. 42 Audiotracks mit Hörproben der historischen Instrumente, Filme mit Menuett- und Tangotänzen und zwei Hörfeatures lassen die Musikinstru-mente, ihren Gebrauch und ihre Zeit lebendig werden.

Die Physik der Geige: Mit dem Aufschwung der Naturwissenschaften im 17. Jahrhundert setzte auch eine systema-tische Erforschung akustischer Phänomene ein. Schon Galileo Galilei entdeckte durch Experimente grundlegende Gesetzmäßigkeiten über Resonanzbildung und über das Schwingungsverhalten von Saiten. Sein Zeitgenosse, der Theologe, Mathematiker und Musiktheoretiker Marin Mersenne maß erstmals die Schallgeschwindigkeit in der Luft, indem er in einiger Entfernung eine Kanone abfeuern ließ und die zeitliche Verzögerung zwischen dem Aufblitzen des Mündungsfeuers und dem Hören des Schusses bestimmte. Er wurde zum Begründer der wissen-schaftlichen Instrumentenkunde. Die Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaft und die technische und industrielle Entwicklung führten im 19. und 20. Jahrhundert auch im Musikinstrumentenbau zu Verbesserungen und Innovationen. Allein im Bereich der Streichinstrumente wurden seit Gründung des Kaiserlichen Patentamtes 1877 in Deutschland etwa 300 Erfindungen zum Patent angemeldet. Oftmals sind es nicht nur die im traditionellen Handwerk ausgebildeten Instrumentenbauer selbst, sondern Ingenieure, Uhrmacher, Goldschmiede, Mediziner und Physiker, die bahnbrechende Neuerungen entwickeln.

Auf den Trichter gekommen: Spätestens mit der Weltausstellung zur Jahrhundertwende war die Elektrizität aus den Laboren im Alltagsleben angekommen. Völlig neue Medien wie die Telegraphie entstanden. Für eine überzeugende Musikproduktion konnte jedoch der Lautstärkeumfang von Musikinstrumenten noch nicht angemessen auf die Wachsrolle gebannt werden. Um 1900 wurden die phonographischen Aufnahmen daher oft in sehr kleinen Räumen produziert, in deren Mitte sich ein großer Aufnahmetrichter befand. Die Sänger drängten sich vor dem Trichter, hinter Ihnen das meist stark reduzierte Orchester, erst die leisen Streicher und Holzbläser, dann Blechbläser, tiefe Streicher und Schlagwerk. Die traditionelle Violine war für den damaligen Stand der Aufnahmetechnik viel zu leise und ging im Rauschen des Wachszylinders förmlich unter. So entstand etwa die Trichtergeige, die ihren so typischen hölzernen Klangkörper gegen einen Schalltrichter austauschte.

Vom Segen der stummen Geige: Die Notwendigkeit von stummen oder zumindest sehr leisen Übungsinstrumenten kam im 19. Jahrhundert auf: Die steigenden Anforderungen an die Virtuosität der Musiker verlangten intensive technische Studien, und reisende Künstler mussten zudem stundenlange Zugfahrten auf sich nehmen. „Diese Erfindung schafft eine Geige, die wenig klingt, die also ein Spielen und Studiren gestattet, ohne einen Andern mit Tönen zu belästigen, die aber in der übrigen Ausstattung von einer klingenden Geige nicht abweicht und auch im Spiel durchaus keine andere Behandlung erheischt.“ Mit diesen Worten preisen die Gebrüder Wolff in Kreuznach die von ihnen produzierte stumme Violine an, für die sie 1877 ein Patent erhalten haben. Statt des klangverstärken-den Resonanzkörpers besitzt das Instrument lediglich einen massiven Holzrahmen. Es erzeugt daher nur einen sehr leisen Ton, welcher dem Musiker zur Kontrolle seines Spiels ausreicht, sich aber nicht weit ausbreitet. Welchen Segen die Benutzung der stummen Geige für die Mitwelt des Musikers bedeutet, beschreibt der Werbetext der Gebrüder Wolff in dramatischer Weise: „Wer bisher als ausübender Künstler oder solcher, der es werden will, andere Menschenkinder durch stundenlange, ja sogar tagelange, unausgesetzte unerquickliche Studien peinigen musste, der wird schon aus Menschenfreundlichkeit zeitweise sich dieses höchst practischen Instruments bedienen.“








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  • William Bainbridge Doppelquerflageolett, 1820, London Foto: Roman Raacke
    William Bainbridge Doppelquerflageolett, 1820, London Foto: Roman Raacke
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • François Chanot Violine, 1780, Mirecourt Foto: Roman Raacke
    François Chanot Violine, 1780, Mirecourt Foto: Roman Raacke
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Stumme Geige Foto: Roman Raacke
    Stumme Geige Foto: Roman Raacke
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
  • Johann Matthias Augustus Stroh, Strohgeige, 1910, London Foto: Roman Raacke
    Johann Matthias Augustus Stroh, Strohgeige, 1910, London Foto: Roman Raacke
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg