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Otto Neurath.

Otto Neurath. Gypsy Urbanism

  • Ausstellung
    10.03.2010 - 05.09.2010
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Otto Neurath.

Die Ausstellung „Otto Neurath. Gypsy Urbanism“ ist dem Werk des Wiener Philosophen und Ökonomen Otto Neurath (1882–1945) gewidmet. In einer Zeit, in der die Kultur von Massenmedien dominiert wird, enthüllt der Blick auf das Werk des Universalgelehrten Neurath überraschend Zeitgenössisches. Der Wissenschafter, Wohnbauaktivist1 und Museumsdirektor2, der sich stets um eine Weiterentwicklung partizipatorischer Formen der Demokratie bemühte, arbeitete mit führenden Architekten, Designern und Künstlern seiner Zeit – unter ihnen Franz Schuster, Josef Frank, Margarete Schütte-Lihotzky – sowie mit Protagonisten des Wiener Kreises, dem er angehörte, zusammen. Neuraths anhaltender Einfluss auf so unterschiedliche Disziplinen machen ihn zu einer einzigartigen, typisch österreichischen Persönlichkeit, die weltweit gefeiert wird, aber in Österreich im öffentlichen Bewusstsein kaum präsent ist.

 Gesellschaft und Wirtschaft. Bildstatistisches Elementarwerk, Leipzig 1930 © MAK

Die Ausstellung konzentriert sich auf vier wesentliche Aspekte der Arbeit Neuraths. Der erste Teil beinhaltet Artefakte und erstmals gezeigte Filmsequenzen der Wiener Siedlerbewegung der 1920er Jahre, jener Zeit, in der Neurath seine Karriere begann und eng mit den Architekten Franz Schuster und Margarete Schütte-Lihotzky zusammenarbeitete. Nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie wurde das Vorantreiben des Wohnbaus in Wien zur obersten Priorität der österreichischen Sozialdemokratie. Als sich Siedler „nach Zigeunerart“ öffentliche Grundstücke aneigneten und darauf Häuser und Gärten errichteten, erkannte Neurath dies als Chance für eine Wohnbaureform, die auf Basisorganisation und Tauschhandel beruhen sollte.

Neurath gründete den „Hauptverband des Siedlungs- und Kleingartenwesens“ (1918–1934), um die „wilden Siedler“ bei der Neuplanung Wiens zu unterstützen. Der Verband entwickelte mehrere Prototypen erweiterbarer Kleingartenhäuser, die auf modernsten Prinzipien der Effizienz basierten. Diese „Kernhäuser“, es gab sowohl Einzel- als auch Reihenhausmodelle, konnten aus einem Katalog bestellt werden und wurden der Öffentlichkeit im Jahr 1923 im Rahmen einer Ausstellung präsentiert, die über 200.000 Besucher anzog. In der MAK-Ausstellung werden auch Entwürfe von Margarete Schütte-Lihotzky und Franz Schuster gezeigt.

Im Fokus der MAK-Ausstellung steht das 1925 als Verein für Volksbildung gegründete Österreichische Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum, das aus einer Serie von Wanderausstellungen hervorging. Für die Räumlichkeiten des Museums am Parkring 12 in Wien, konnte ein für die österreichische Moderne geschichtsträchtiges Gebäude der Gartenbaugesellschaft gewonnen werden, in welchem bereits 1898 die Secession ihre erste epochemachende Ausstellung präsentierte. Neurath führte zahlreiche Innovationen hinsichtlich der Präsentation von Ausstellungen ein, die auf Fotos im Kunstblättersaal dokumentiert sind. Gemeinsam mit Josef Frank entwickelte Neurath Ausstellungssysteme, die mobil waren und daher überall gezeigt werden konnten.

Die Museumsinhalte – es handelte sich um eine Darstellung der Welt in Statistiken und historischen Daten – glichen weitgehend einem politischen Weltatlas der Zivilisation für Laien. In diesem Zusammenhang widmet sich ein Teil der Ausstellung den Fotodokumenten der Wanderausstellungen aus den Beständen des Österreichischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseums und die 100 Schautafeln seines statistischen Elementarwerks „Gesellschaft und Wirtschaft“ von 1930 aus dem MAK-Bestand.

Das Projekt, eine Art „Museum ohne Grenzen“, war auch Ausgangspunkt für das von Neurath entwickelte Bildkommunikationssystem Isotype. Angesichts der politischen Veränderungen zur Zeit des Ersten Weltkrieges konstatierte Neurath einen tiefgreifenden Strukturwandel von der Arbeits- zur Wissensgesellschaft. Die von ihm gemeinsam mit dem Grafiker Gerd Arntz entwickelte internationale Bildersprache ist als Reaktion auf die neuen Umstände zu verstehen. Mithilfe von Piktogrammen schufen sie die Wiener Methode der Bildstatistik „Isotype“ (International System of Typographic Picture Education), die allgemein verständliche, präzise Darstellungen komplizierter Sachverhalte, z.B. von Daten und Statistiken, ermöglichte. Komplexe Zusammenhänge werden so auf einfache Weise, unabhängig von Gesellschaftsstruktur und Sprache verständlich dargestellt. Neurath sah die soziale und kulturelle Bildung als Motor der Selbstbestimmung für die Arbeiterklasse sowie als Katalysator des politischen Wandels.

Ein weiterer Teil der Ausstellung zeigt die Verbreitung von Otto Neuraths Ideen in England, den USA und der damaligen Sowjetunion, auf. 1933 bezeichnete die New York Times seine Pädagogik als „Bild-Esperanto“ und der Verlag Alfred A. Knopf veröffentlichte 1939 seine Publikation Modern Man in the Making. Beispiele aus diesen Werken werden ebenfalls im MAK zu sehen sein. Als wichtige Dokumente der „global polis“ zeigt das MAK darüber hinaus Pläne des CIAM (Congrès International d’Architecture Moderne) von 1933 in Athen mit dem Titel „Die funktionelle Stadt“. Die universale Bildsprache hatte internationale Breitenwirkung.


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  • Alvar Aalto, Otto Neurath, László Moholy-Nagy auf der Patris II anlässlich des IV. CIAM Kongresses, August 1933 © gta Archiv / ETH Zürich: CIAM Archiv
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  • Wohndichte in Großstädten, in: Gesellschaft und Wirtschaft. Bildstatistisches Elementarwerk, Leipzig 1930 © MAK
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  • Neujahrskarte der International Foundation for Visual Education,   The Hague 1940 Isotype Collection, University of Reading
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