Mit dem Zug du
Mit dem Zug durch Europa Plakate für Luxusreisen um 1900
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Ausstellung06.11.2010 - 16.01.2011
Auszug aus dem Katalogvorwort von René Grohnert, Leiter Deutsches Plakat Museum, und Hartwig Fischer, Direktor Museum Folkwang
Als dem Deutschen Plakat Museum 2008 die „Sammlung Reisen in Luxus, Essen“ als Dauerleihgabe angeboten wurde, mussten wir nicht lange überlegen. Wir haben das Angebot sehr gerne angenommen. Die Sammlung umfasst ein größeres Konvolut an Plakaten zum Thema Reisen in Luxus, vor allem zu den Luxuszügen, den Reisezielen und Hotels. Dadurch ist es erstmals möglich, eine umfassende Darstellung der Plakatentwicklung in diesem speziellen Bereich zu präsentieren.
Als Auftakt des begleitenden Katalogs behandelt der Beitrag Traum und Realität – Luxusreisen und Lebensalltag um 1900 die Frage, was Luxus im Zusammenhang mit Reisen und im gesellschaftlichen Kontext der Zeit bedeutete und wie weit die Möglichkeit einer solchen Reise vom Leben des Großteils der Bevölkerung entfernt war. Wenn wir heute diese Plakate betrachten, soll uns nicht nur die Nostalgie der Blätter entgegentreten, sondern auch nachvollziehbar sein, in welcher sozialen Wirklichkeit diese Reisen unternommen wurden. Der Essay ermöglicht es, die Arbeiten in eine spezielle Beziehung zur Zeit ihrer Entstehung zu setzen.
Ausstellung und Katalog sind in drei große Bereiche gegliedert. Im ersten Teil wird der Übergang vom Fahrplan zum illustrierten Plakat behandelt. Wir zeigen, welche Entwicklung das Plakat für die Luxusreise zwischen 1880 und 1914 nahm, wie sich die Gestaltung der Reiseplakate – von der allgemeinen Entwicklung der Plakatgestaltung relativ unbeeinflusst – veränderte und wie sehr Gestalter wie F. Hugo d’Alesi und Rafael d’Ochoa das Gesicht der Werbung für Luxuszüge bestimmten. Im Mittelpunkt stehen dabei Plakate, die für konkrete Züge wie den Orient-Express, den Nord-Express oder den Transsibirien-Express warben. Im zweiten Teil geht ein Exkurs auf die weitere Entwicklung der Luxuszüge und die Werbung für sie ein, deren Themen und Schwerpunkte sich in den 1920er Jahren änderten: Nicht mehr der Luxus des Reisens stand im alleinigen Fokus, viel stärker wurde auf die Darstellung der technischen Neuerungen gesetzt, auf die Kraft der großen Maschine – hier auf die Lokomotive als Ausdruck des Vertrauens in die neue Technik und in deren Auswirkungen. Beschleunigung und Geschwindigkeit wurden als eigene Erlebniswerte der Reise vermarktet. Die Gestaltung der Plakate änderte sich rasant. Namhafte Gestalter wie A. M. Cassandre in Frankreich oder Leo Marfurt in Belgien machten das Reiseplakat nun zu einem Vorbild für die Plakatgestaltung der 1920er und 1930er Jahre. Im dritten Teil geht es um die Reiseziele, um Regionen, Städte und Hotels in Europa und auch darüber hinaus, die sich auf die Ansprüche der mit dem Luxuszug anreisenden Gäste einstellten. Hotels in einzigartiger Umgebung, bester Service, Golf, Tennis, Reiten, Kutschfahrten … all das in spektakulärer Landschaft. Das war das Angebot, welches die zahlungskräftigen Reisenden anlocken sollte. Die Bahnlinien verbanden – dünnen Linien gleich – ihre großzügigen Villen mit den bequemen Hotels am Zielort – Luxus non stop sozusagen. Der gut betuchte Großstädter fuhr im Winter an die Côte d’Azur oder die italienische Riviera, im Sommer hingegen zog es ihn an die Küste der Bretagne, in die belgischen Badeorte oder in die kühlen Berge Österreichs oder der Schweiz. Die Saisonzüge ermöglichten eine bequeme Fahrt.
Die Plakate für das Reisen in Luxus dokumentieren eine spezielle Form von Mobilität, wie sie sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts ausbildete und, mit Unterbrechung durch den Ersten Weltkrieg, bis in die 1930er Jahre hinein entwickelte. Die Ära der Luxuszüge war spätestens mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu Ende. Nach dem Ende des Krieges, in einem in weiten Teilen zerstörten und politisch geteilten Europa, konnten sich die Luxuszüge nicht wieder etablieren; heute fahren hin und wieder noch Nostalgiezüge, die dem Reisenden einen „Hauch von Luxus“ versprechen und bestenfalls erahnen lassen, was eine Luxusreise um die Jahrhundertwende bedeutete.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in der Edition Folkwang/Steidl, 128 Seiten mit zahlreichen
Abbildungen, 28 Euro im Museum Folkwang.
Öffentliche Führungen
So 21. 11., 12. 12., 16. 1., jeweils 12 Uhr
Kuratoren führen
mit René Grohnert, Leiter Deutsches Plakat Museum
Mi 15. 12., 16 Uhr
Jeweils kostenfrei mit Eintrittskarte und Teilnahmesticker, der ab einer Stunde vor Führungsbeginn an
der Besucherinformation erhältlich ist. Begrenzte Teilnehmerzahl.
Vortrag
Vom Fahrplan zur Sehnsuchtsfläche - Plakate für Luxuszüge um 1900
René Grohnert, Leiter Deutsches Plakat Museum
Mi 24. 11., 19 Uhr
In Kooperation mit dem Kunstring Folkwang e. V., Verein der Freunde des Museum Folkwang
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