Fotostudio
Vienna’s Shooting Girls – Jüdische Fotografinnen aus Wien
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Ausstellung23.10.2012 - 03.03.2013
Professionelle Fotografie von Frauen geprägt Studiofotografinnen wie Dora Kallmus ließen mit bewusst eingesetzten Unschärfen und Glanzlichtern den Einfluss des Piktorialismus erkennen. Protagonistinnen des „Neuen Sehens" in der österreichischen Fotografie waren Stephanie Brandl und Margaret Michaelis- Sachs. Beispiele für den am Bauhaus gelehrten freien Umgang mit Genres und Techniken sind die Fotomontagen von Friedl Dicker. Die Arbeitsfelder der Wiener Fotostudios waren vielfältig: vom Society-, Künstler-, Tänzer- und Schauspieler-Porträt über Modefotografie bis hin zu Produkt-, Architektur-, Großstadt- und Landschaftsfotografie. Mit der Entwicklung der Drucktechnik kamen seit Anfang der 1920er Jahre zahlreiche illustrierte Zeitschriften wie
Moderne Welt, Die Dame, Wiener Illustrierte, Wiener Magazin und Die Bühne auf den Markt. In ihrer Mischung aus Lifestyle-, Mode-, Kultur- und Society-Berichterstattung waren sie ideale Medien für die Fotos, die sich oft zwischen Mode-, Genre-, Porträt- und Rollendarstellung bewegten. Die große Anerkennung, die Wiener jüdische Fotografinnen gerade in der Porträtfotografie fanden, zeigt sich auch in der Tatsache, dass sich viele Prominente aus Kunst, Kultur und Wissenschaft von ihnen fotografieren ließen. Mit der zunehmenden Bedeutung von Illustrierten und Lifestyle-Magazinen nahm auch die Bedeutung des für PR-Zwecke gedachten Porträtfotos zu. In der Zeit der Ersten Republik kamen außerdem Fan-Postkarten auf, die in großen Mengen fotografisch reproduziert wurden.
Tanzfotografie stellte in der großen Zeit des modernen Tanzes ein eigenes Genre dar, mit fließenden Übergängen zur Aktfotografie. Die in größerem Maß als je zuvor sichtbaren trainierten Körper der Tänzerinnen und Tänzer waren ebenso ein Faszinosum, wie die Darstellung von charakteristischen Bewegungsabläufen und Posen und von avantgardistischen Kostümen, die oft von Künstlern entworfen waren. Ein neues sportliches Körperbild und eine Ahnung sexueller Freiheit brachten eine zunehmende Ungezwungenheit bezüglich unbekleideter Körper mit sich, die nicht notwendigerweise in erotischem Kontext gesehen wurden, sondern im Sinne einer auch gesellschaftlichen Befreiung und Natürlichkeit. Für Fotografen und Fotografinnen bot sich der – meist weibliche – nackte Körper als Versuchsfeld für fotografische Studien zu Licht und Plastizität an. So fotografierten die beiden bedeutendsten Aktfotografinnen Deutschlands und Österreichs, Germaine Krull und Trude Fleischmann, die Gymnastiklehrerin Cilli Pam während eines gemeinsamen Fototermins in Fleischmanns Atelier.
Für Modefotos wurden bis in die 1930er Jahre bevorzugt Personen der Gesellschaft und Künstlerinnen wie Tänzerinnen und Schauspielerinnen eingesetzt. Nicht selten fungierten auch Designerinnen als ihre eigenen Modelle. Die in erster Linie für die Publikation in Zeitschriften gedachten Modefotografien spiegeln in exemplarischer Weise die sich rasant ändernde Ästhetik, aber auch die Einflüsse von bildender Kunst, Design, Kunsthandwerk und Architektur auf die Mode der jeweiligen Saison wieder.
Die Porträtfotos vermitteln die unterschiedlichen Facetten des sich im Verlauf weniger Jahrzehnte stark wandelnden modernen Menschen- und vor allem Frauenbildes im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, auch und gerade in jüdischen Kreisen. Vor allem die 1920er Jahre waren symptomatisch für ein Frauenbild, das mit Riesenschritten in Richtung Moderne stürmte.
In der Reportagefotografie war Alice Schalek eine Vorreiterin. War sie im Ersten Weltkrieg noch die einzige Frau unter den fotografierenden Kriegsberichterstattern, so stieg die Zahl der Reportagefotografinnen in den 1920er und vor allem in den 1930er Jahren, begünstigt durch die Entwicklung handlicher Kleinbild- bzw. Mittelformat-Kameras, stark an. Während „die Schalek“ generell affirmativ berichtete, dokumentierten Edith Suschitzky (Edith Tudor Hart), Margaret Michaelis, Gerti Deutsch, Marianne Bergler, Annie Schulz und Trude Geiringer mit kritischem Blick die sozialen Errungenschaften, aber auch das Elend der Jahre der Wirtschaftskrise in Wien, Prag und Barcelona.
Emigration, Exil und Nachkriegszeit
Manchen Wiener jüdischen Fotografinnen gelang die Flucht vor dem nationalsozialistischen Terror nicht. Edith Barakovich, Claire Beck, Friedl Dicker, Martha Fein-Spraider, Helene Feintuch, Eugenie Goldstern, Ilse Pisk, Arabella Robitschek-Gyarmati, Annie Schulz und Hilde Zipper-Strnad wurden ermordet oder in den Freitod getrieben. Die meisten anderen konnten sich ins Ausland retten. Edith Tudor Hart und Margaret Michaelis mussten aus politischen Gründen schon früh emigrieren. Sie gingen nach England bzw. Spanien und setzten dort ihre sozialkritische fotografische Arbeit fort. Erna Adler-Rabus, Maria Austria und Dora Kallmus überlebten in der Illegalität bzw. versteckt in Belgien, den Niederlanden bzw. Frankreich. Maria Austria fotografierte 1943 aus ihrem Versteck in Amsterdam marschierende Wehrmachtssoldaten. Nach Kriegsende dokumentierte sie das Versteck von Anne Frank. Einige Wiener jüdische Fotografinnen emigrierten nach Großbritannien, der Großteil in die USA, viele davon nach New York. Einige konnten dort mit Aufträgen für Illustrierte Fuß fassen. Andere führte ihre Emigration nach Australien oder Kolumbien. Camilla Koffler (Ylla) errang internationalen Ruhm mit Tierreportagen. Die Doyenne der Wiener Studio-Fotografie, Dora Kallmus, fand nach dem Krieg mit einer Serie von Teilen toter Tiere aus den Schlachthöfen von Paris zu einem völlig neuen Thema.
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