Japan
Typisch Japan. Reisefotografie des 19. Jh.
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Ausstellung24.04.2013 - 04.08.2013
Blühende Kirschbäume, Lotosblüten, Geishas im Kimono, stille Tempelstätten: Das Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg zeigt aus seiner Sammlung rund 100 Exponate der japanischen Reisefotografie, die zwischen 1870 und 1900 entstanden.
Die handkolorierten Fotografien, Glasdias, Stereofotografien, Lack-Alben und Fotopostkarten, stammen von elf verschiedenen Fotografen und Ateliers. Sie werden ergänzt durch Kunsthandwerk, das auf den Weltausstellungen in London, Paris, Wien und Chicago verkauft wird und großes Interesse an Japan auslöst. Die Ausstellung beleuchtet die Rolle der Fotografie im aufkommenden Tourismus. Die touristische Erschließung Japans löst eine immense Produktion von Souvenirs aus. Das populärste Produkt war die Fotografie, allein im Jahr 1897 werden 25.000 Abzüge nach Europa exportiert. Globetrotter und Japantouristen erwerben die Aufnahmen vor allem in Yokohama. Die Daheimgebliebenen unternehmen anhand der Bilder imaginäre Reisen in die Fremde. Die frühen Aufnahmen vermitteln erste Bilder von einem Land, das bis 1868 isoliert und unbekannt war. Die Fotografen entfernen sich jedoch schnell von ihrem dokumentarischen Blick. Es bilden sich zunehmend stereotype Ansichten und Bildmuster heraus. Neben Architektur- und Landschaftsaufnahmen sind es vor allem Typenporträts von Geishas, Samurai, Ringern, Lastenträgern und Straßenverkäufern. In Fotostudios werden die Einheimischen in traditioneller Kleidung und mit typischen Tätigkeiten inszeniert. Diese Motive bedienen vor allem die Vorstellungen der Europäer von einer exotischen Fremde und prägen bis heute unser Japan-Bild. Noch immer faszinieren die Fotografien durch ihre starke Inszenierung und ihre Kolorierung in zarten Pastelltönen, die von japanischen Farbholzschnitten angeregt sind.
Die Ausstellung zeigt die verschiedenen fotografischen Medien in ihrer jeweiligen Funktion. So reproduzieren Fotopostkarten mit den stets gleichen Motiven, massenhaft aus der Fremde gesendet, immer wieder die stereotypen Bilder des Reiselandes. Das Dia und die Stereoskopie haben großes Potential, die Illusion von greifbarer Wirklichkeit zu erzeugen, die den Betrachter buchstäblich ins Bild zieht. Dank der Projektionstechnik können Dias vergleichsweise groß an die Wand oder auf eine Leinwand projiziert werden. Noch mehr als die Dia-Projektion versprach die stereoskopische Ansicht, die Mitte des 19. Jahrhunderts erfunden wird, dem Betrachter Intimität und Lebendigkeit. Die Stereokamera macht sich die natürliche Parallaxe der Augen zunutze. Mittels einer zweiäugigen Optik werden zwei Fotografien von einem Motiv aus leicht verschobener Perspektive erstellt. Die Bilder werden auf Karton aufgezogen und durch ein Stereoskop betrachtet. Im Kopf des Betrachters verschmelzen die beiden Aufnahmen zu einem Bild und erzeugen die Illusion räumlicher Tiefe. In der Zeit um 1890 besitzt fast jeder bürgerliche Salon eine solche Illusionsmaschine. Die Stereoskopie wurde zum Massenmedium, man sprach von der Stereoskopomanie.
Die Foto-Ateliers werden in den ersten Jahren von Europäern betrieben, die mit Expeditionen nach Japan gelangt waren. Schnell steigen Japaner in das lukrative Geschäft ein. Die Negativbestände werden nach Geschäftsaufgabe häufig weiterverkauft. Es gibt daher Negative aus den 1860er Jahren, die noch vierzig Jahre später abgezogen werden. Die drei erfolgreichsten Studios der 1890er Jahre gehören Adolfo Fasari, Kusakabe Kimbei und Tamamura Kozaburo. Die Verkaufslisten führen zum Teil bis zu 2000 Motive, aus denen Kunden auswählen konnten. Die meisten Ateliers bieten handkolorierte Albumine an, Schwarz-Weiß-Aufnahmen sind weniger begehrt. Eine Besonderheit in der japanischen Fotografie stellt die Kolorierung dar. Im 19. Jahrhundert ist sie in der Fotografie selten zu finden. Zwar existieren einzelne kolorierte Daguerreotypien, in denen man den Dargestellten mit Farbe Leben einhauchen will. Auch gibt es idyllische Stadtansichten, die durch die Kolorierung eher an Malerei erinnern. In dem Umfang wie sie in Japan zu finden ist, wird die Bearbeitung mit Farbe allerdings in keinem anderen Land praktiziert. Dies ist auf die Popularität handkolorierter Holzschnitte zurückzuführen, die schon Mitte des 19. Jahrhunderts in bürgerlichen Haushalten in Europa weit verbreitet sind. Die Erfindung der Fotografie stellt damals eine ernsthafte Konkurrenz für den Handel mit Holzschnitten dar. Gleichzeitig stehen mit den Koloristen der Holzschnitte eine Schar ausgebildeter Experten für das Unternehmen Fotografie zur Verfügung.
Die Ausstellung wird ergänzt durch Exponate aus der Asiensammlung des MKG. Mit solchen kunsthandwerklichen Objekten präsentiert sich Japan auf den Weltausstellungen in London (1862, 1867, 1889), Paris (1900), Wien (1873) und Chicago (1893) und beflügelt damit das Interesse an seiner Kultur, insbesondere am japanischen Kunsthandwerk. Zu den 20 Exponaten zählen Vasen, Schalen und Figuren, Holzschnitte, Lackkästchen und Räuchergefäße. Die Objekte sind, wie die Fotografien, Souvenirs ohne praktischen Nutzen, die das Bedürfnis der Europäer nach Exotik befriedigen.
Begleitprogramm
TEEZEREMONIE AM TAG DER ERÖFFNUNG
23. April, 19 Uhr anlässlich der Eröffnung führt Teemeisterin Mineko Sasaki im Teehaus des MKG um 17 und 18 Uhr eine japanische Teezeremonie durch. Teilnahme kostenlos
EXPERTENFÜHRUNGEN
Do 25. April, 19 Uhr Yokohama – Tokyo – Kyoto in 14 Tagen | Dr. des. Esther Ruelfs, Kuratorin der Ausstellung
So 12. Mai, 15 Uhr Der Lonely Planet-Reiseführer des Japanreisenden | Dr. Carmen Pérez González, Forscherin zur iranischen Fotografie des 19. Jahrhunderts
Do 16. Mai, 16 Uhr Die alte Tradition des japanischen Holzschnitts und die neue Fotografie | Dr. Nora von Achenbach, Leiterin der Sammlung Ostasien und Islam
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