INTERVENTION:
INTERVENTION: WERNER REITERER. Breath
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Ausstellung19.11.2009 - 28.03.2010
Zweimal jährlich werden im Rahmen der 2007 initiierten Ausstellungsreihe Intervention österreichische Künstler eingeladen, ihre Arbeit in Bezug zur Architektur, zur Geschichte und zur Sammlung des Belvedere zu setzen. Nach Gudrun Kampl, Brigitte Kowanz, Franz Kapfer und Christian Hutzinger zeigt heuer der Grazer Werner Reiterer im Marmorsaal des Oberen Belvedere eine für den Raum konzipierte interaktive Licht- und Toninstallation.
Reiterer (*1964) arbeitet seit Mitte der 1980er-Jahre vorrangig mit den Medien Zeichnung, Skulptur und Installation. Dabei setzt er sich auch mit den Traditionen und Mustern menschlichen Verhaltens in öffentlichen, institutionellen Räumen auseinander. Mittels skulpturaler Komponenten, die Reiterer in den Raum implantiert, ermöglicht er eine konsequente künstlerische Verschiebung tradierter Parameter, die ungeahnte Eindrücke hinterlassen.
Die Intervention Breath fordert das Publikum auf, sich über soziokulturell erlernte Verhaltensregeln aktiv hinwegzusetzen. In der Mitte des Marmorsaals ist eine Tafel mit dem Text „SCHREIEN SIE JETZT SO LAUT SIE KÖNNEN!“ in mehreren Sprachen platziert. Folgen die Besucher der Handlungsanweisung des Künstlers und schreien in einer Lautstärke, die über einem vordefinierten Pegel liegt, beginnen die Kronleuchter mittels Dimmen der Lichtstärke zu „atmen“. Synchron dazu ist erschöpftes Atmen zu vernehmen. Die gesamte Architektur wird kurzzeitig zu einem riesigen Lebewesen – der Marmorsaal des Belvedere erwacht aus seiner barocken Ruhe.
Die Intervention: Werner Reiterer. Breath wird von einer Publikation begleitet.
Werner Reiterer im Gespräch mit Rüdiger Andorfer (Auszug)
RA: In Breath laufen zwei Entwicklungslinien zusammen. Die eine ist die Handlungsanweisung als Text an der Wand, die andere ist die Skulptur, hier in Form des Lusters.
WR: Beide sind relativ früh entstanden. Der Text „Holen sie tief Luft und tragen sie den Atem in den nächsten Raum “ stammt von 1997 und beschreibt einen skulpturalen Akt, den wir alle täglich vollführen, indem wir einfach Luft holen und dieses Luft und Gasgemisch in einen anderen Raum bringen. […] Die andere Arbeit, die genau das in einer anderen Form skulptural umsetzt und in der wir und unsere Körper nicht die unmittelbaren Adressaten sind, ist Two Spirits. Man sieht einen Kronleuchter auf einem Sockel, der von einem Bewegungsmelder aktiviert wird. Sobald jemand in die Nähe der Skulptur kommt, beginnt sich das Licht des Lusters rauf- und runterzudimmen und wird dabei mit dem Aus- und Einatmen akustisch synchronisiert. Hier wird eine Eigenschaft des Menschen in einen Gegenstand implantiert, der mit dieser Eigenschaft überhaupt nichts zu tun hat. Ein atmender Luster ist in dem Sinn eigentlich kein Luster mehr, er erhält ein sehr surreales Moment. Das sorgt für Erstaunen und Belustigung. Diese Implantierungen mache ich relativ oft: Gegenständen werden humane Eigenschaften eingebläut, wie ich das einmal formuliert habe. Diese Gegenstände werden dadurch fast so etwas wie Lebewesen.
RA: Gerade ein Luster ist ein Objekt, mit dem viele Menschen tagtäglich leben, ohne ihn bewusst wahrzunehmen. In erster Linie ist der Luster herrschaftlich konnotiert.
WR: Er ist natürlich ein hierarchisch konnotiertes Objekt, kulturgeschichtlich und metaphorisch gesagt so etwas wie eine Schatzkiste. In früheren Zeiten hatte man dieses Gut „Licht“ ja nicht immer parat, nur herrschaftliche und adlige Schichten hatten viel davon zur Verfügung, was auch zur Schau gestellt wurde. […] Das finde ich natürlich schon sehr spannend – wenn man das nun auf das Belvedere und den Marmorsaal überträgt, der ja wirklich einer der schönsten Barocksäle ist, und diese Sache auf der gesamten Klaviatur spielt. Da kommt eine gewisse Subversivität zum Tragen, weil man in dieser Installation ja irgendwie auch diese herrschaftliche Struktur anschreit bzw. natürlich auch einen Fauxpas bezüglich der Verhaltensregeln begeht, weil man weltweit gewohnt ist, in Museen zu schweigen oder zumindest leise zu sein. Museen sind kontemplative Orte, man zieht sich sozusagen mit den Kunstwerken zurück, sinniert über die Welt und das Leben. Jetzt gibt es diese offensive Arbeit, die, damit sie offensiv wird und diesen Kern entwickeln kann, den Beitrag des Besuchers einfordert. Ohne den Besucher geht überhaupt nichts. Dann bleibt der klassische, schöne Saal ohne die Zusatzfunktion, dass er sich in ein großes, atmendes Lebewesen verwandelt […]
RA: Du führst hier die institutionelle Kritik mit dem Besucher als sozialer Skulptur zusammen. Das historische Gebäude und sein Raum, der als Museum dient, werden belebt durch das Schreien von Menschen, die auf Basis einer gesellschaftlichen bereinkunft dort überhaupt nicht schreien dürften. Dein Text, der die Besucher, die dort alle Störmomente abseits des Kunstgenusses ausgeblendet haben, zum Schreien auffordert, ist auch das einzig wahrnehmbare Ausstellungsstück deiner Intervention, wenn sie nicht aktiviert ist.
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19.11.2009 - 28.03.2010