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HERBST WINTER

HERBST WINTER 2010/11 Eva Djian

HERBST WINTER

„No new hat“ lautete der Arbeitstitel der Mühlbauer Herbst Winter Kollektion 2010/11. Was sich vordergründig wie eine Kreativitätskrise anhört, sollte sich zu einer wirklichen Erneuerung am Kopfbedeckungsmarkt mausern. Hüte gewinnen oft erst durch das häufige Tragen an Form und Ausdruck. Man wollte die Tragezeit abkürzen und den Alterungseffekt vorwegnehmen. Künstliche Patina musste her, aber wie? Man probierte es mit Waschungen, Lackierungen oder applizierten Schmutzflecken. Nichts entsprach den Vorstellungen des Design-Teams. Dann nahm man ein Filzmodell und zerquetschte es, bis nur mehr ein Minimum des Volumens übrig blieb. Der Hut entfaltete sich darauf hin wieder, aber die zerknautschte Used-Optik blieb bestehen. „the flat hat“ war geboren.

Wer möchte, kann sich nun gerne auf den Hut setzen, darauf herumspringen oder ihn einfach in die Tasche packen. Es wird nichts passieren, denn was vorher schon zerstört ist, wird kein zweites Mal kaputt. Zudem sind die Bänder fest aufgesteppt und die Krempe ohnehin in sämtliche Richtungen biegsam. Um zu demonstrieren, wie unzerstörbar die neue Hut-Serie ist, werden die Modelle platt gewalzt und in Vakuumfolie verpackt. Möglich ist diese Verarbeitung durch Antilop-Filz, dem dichtest gewalkten Filz. Tierschützer können aber aufatmen, von einer richtigen Antilope hat dieser Filz noch nichts gesehen.

1903 begann Julianna Mühlbauer im Wiener Vorort Floridsdorf mit einer kleinen Hutwerkstätte samt angeschlossenem Laden. Gute 100 Jahre später befindet sich das Familienunternehmen in 4.Generation und gehört weltweit zu den ersten Adressen in Sachen Kopfbedeckungen. Klaus Mühlbauer, der das Unternehmen 2001 von seinen Eltern übernommen hat, hat das Wiener Traditionshaus in ein Hut-Label verwandelt, das in internationalen Fachkreisen diskutiert und publiziert wird. Wenn es um Kopfbedeckungen geht, kommt man um Mühlbauer nicht mehr herum.

Der Weg zur kontemporären Hutmode führte über die Rückbesinnung zu altem Know-how und traditionellen Handwerkstechniken. Gemeinsam mit Schwester Marlies entwirft Klaus Mühlbauer zweimal jährlich eine Hut- Kollektion für Damen und Herren, die den internationalen Vergleich bewusst sucht. Der Hut wurde neu definiert und von längst veralterten Klischees befreit. Stattdessen mit einer Selbstverständlichkeit beladen, die auch andere Accessoires für sich in Anspruch nehmen.

Produkte von Mühlbauer setzen ästhetische Maßstäbe und punkten zusätzlich mit erstklassigen Materialien und Handfertigung. Was nicht lange ein Geheimnis blieb. Denn knapp 60% der Hüte verlassen heute die Wiener Werkstätte um internationale Destinationen anzupeilen.

Auch sonst geht es in dieser Kollektion sehr correct zu. Nach vielen Jahren des Suchens, konnte erstmals ein Fake Fur gefunden werden, das den Mühlbauer-Qualitätskriterien entspricht. So treffen nun ein falscher Fuchs, Hase, Seehund und Leopard auf ziemlich unbedenkliche Echtfelle, die diesmal unter dem Seriennamen wrong laufen.

Aus heimischen Gefilden gesellt sich das Mühlviertler Waldschaf zu der Runde. Der Waldschaf-Tweed der Serie sombre dawn ist ein sogenannter Bio-Stoff, der durch seine grobe, raue Struktur einen perfekten Schutz gegen Regen und Schnee bietet.

Und um etwas für den Nachwuchs zu tun, gibt es Mühlbauer nun auch für Kinder ab einem Jahr. Keine betuliche Kindermode, sondern klassische erprobte Erwachsenenmodelle im Kleinformat.

Die aus der Türkei stammende Künstlerin Songül Boyraz hat in dieser Saison ihre Idee von der Marke „Mühlbauer“ für das Kollektionsposter umgesetzt. Boyraz’ Arbeit ist befreit von Oberflächlichkeiten und zeigt ungeschminkte, alltägliche Wirklichkeiten in all ihrer Brutalität. So ist beispielsweise die schwierige gesellschaftliche Situation der Frauen in ihrer Heimat ein wiederkehrendes Thema ihrer Arbeit. Dazu bedient sie sich der Medien Video, Fotografie und Installation. Für das Kollektionsposter hat Boyraz das Leben in der Mühlbauer-Werkstatt eingefangen.

So zählen unter anderen renommierte Läden wie Le Bon Marché (Paris), 10 Corso Como (Mailand), Tsum (Moskau), Harrods (London), Fred Segal (Los Angeles), Isetan oder HP France (Tokio), zu den Mühlbauer Kunden.

Kein Wunder, dass auch bekannte Vertreter der Öffentlichkeit wie Brad Pitt, Meryl Streep, Madonna, Yoko Ono oder Georgia Jagger irgendwann über das Hutlabel aus Wien gestolpert sind. Kooperationen mit Wunderkind, Anne-Valérie Hash oder dem Japnischen Label Lyricism tun ihr Weiteres, um Mühlbauer im internationalen Modegeschehen zu positionieren.

Um der alt eingesessenen Marke mit Horizonterweiterung, auch in Österreich den nötigen Respekt zu erweisen, wurde im Dezember 2005 der erste neue Flagship-Store in der Wiener Innenstadt eröffnet. Der Monobrand-Laden, der vom Architektenduo Kühn Malvezzi konzipiert wurde, reflektiert Design und Qualität der handgefertigten Hutmodelle. Im April 2009 fand dieses Ladenkonzept seine erste Fortsetzung in einem neu eröffneten Mühlbauer Hutladen in Salzburg.


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  • Foto: Songül Boyraz
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