Wien
David Ter-Oganyan Henkel Art.Award. Preisträger 2011
David Ter-Oganyan, geboren 1981 in Rostow am Don, ist der Gewinner des Henkel Art.Award. 2011. Das mumok widmet dem in Moskau lebenden Künstler seine erste institutionelle Einzelpräsentation, die anschließend im Multimedia Art Museum Moscow (MAMM) gezeigt wird.
Zeichnen als Möglichkeit der unmittelbaren Reaktion David Ter-Oganyan arbeitet in zahlreichen Medien. Neben meist im Kollektiv realisierten Aktionen, Installationen und verschiedenen Projekten – darunter auch kuratorische Tätigkeiten – umfasst sein Schaffen Malerei, Zeichnung, Objektkunst, Fotografie und Video. Im mumok präsentiert Ter-Oganyan ausschließlich Zeichnungen – als seine Form der Reaktion auf alles, was ihm begegnet und ihn bewegt. Entsprechend breit ist das Spektrum seiner Sujets. Es reicht von persönlichen existenziellen Erfahrungen über Reflexionen zur Kunst bis hin zur Auseinandersetzung mit der sozialen und politischen Realität in Russland. Gewalt und die daraus resultierende Notwendigkeit des Widerstandes sind dabei zentrale Themen seiner Arbeit. Vielgestaltig ist auch sein formales Repertoire, das Abstraktion und Gegenständlichkeit gleichermaßen umfasst. Seit einigen Jahren entstehen Ter-Oganyans Zeichnungen überwiegend am Computer und werden vom Künstler je nach Bedarf in verschiedene Medien übertragen: Er druckt sie auf Papier, Leinwand oder präsentiert sie in Form von Slideshows, von denen er im mumok mehrere zu einer raumfüllenden Installation zusammenfasst.
Aktivistisch-kritische Strategien
David Ter-Oganyan ist ein wesentlicher Vertreter jener aktionistisch-aktivistischen Tendenzen in der russischen Kunst der 1990er- und 2000er-Jahre, die dem Kunstsystem ebenso kritisch gegenüber stehen wie dem politischen. Im Rahmen des damit einhergehenden Diskurses um die Relevanz und das Potenzial von künstlerischer Arbeit im Spannungsfeld zwischen gesellschaftspolitischer Reflexion – und daraus resultierenden Widerstandsstrategien – und künstlerischer Autonomie besetzt er eine Position, die beide Pole in eindrücklicher Weise verbindet. Gerade seine Zeichnungen belegen, dass aktivistisch-kritische Strategien bei ihm immer mit sehr präzisen formalen Setzungen verbunden sind, die nicht zuletzt auf einer differenzierten Reflexion der Geschichte der Kunst beruhen.
Künstlerische Prägung und Entwicklung
Wesentlich für die künstlerische Entwicklung David Ter-Oganyans war sein Vater, der aktivistische Künstler Avdey Ter-Oganyan, eine zentrale Figur der Moskauer Kunstszene in den 1990er-Jahren. Legendär wurde dessen am 4. Dezember 1998 in der Ausstellungshalle Manege durchgeführte Aktion Entweihung heiliger Objekte. Bei dieser zerhackte er fotografische Reproduktionen von Ikonen, um die Verflechtung und gegenseitige Instrumentalisierung von Kirche und politischer wie finanzieller Macht im postsowjetischen Russland zu kritisieren. Die Aktion resultierte in einer strafrechtlichen Verfolgung des Künstlers, der seither im Asyl in Prag lebt. Davor hatte Avdey Ter-Oganyan in Moskau eine Schule für Künstler betrieben, die auch sein Sohn besuchte. Ein weiterer Lehrer von prägender Bedeutung für David Ter-Oganyan war der Künstler, Theoretiker und Politaktivist Anatolij Osmolowskij, dessen Aktionen, Ausstellungen und Manifeste ebenfalls den Widerstand gegen die Verflechtungen von Macht und Kapital in Politik und Kunst zur künstlerischen Strategie machten. Die von Osmolowskij herausgegebene Zeitschrift Radek – benannt nach einem Mitstreiter Lenins – war namensgebend für ein bis etwa 2004/2005 bestehendes loses Künstlerkollektiv, dem neben Osmolowskij und Avdey Ter-Oganyan auch deren Schüler und weitere junge Künstler angehörten. David Ter-Oganyan war führend in diesem Kreis engagiert und an zahlreichen Aktivitäten beteiligt.
Pussy Riot als Coversujet
Ausdruck von David Ter-Oganyans aktivistischer Grundhaltung wie auch seiner Überzeugung von der Notwendigkeit des kollektiven Agierens ist seine Unterstützung der Moskauer feministischen Künstlerinnengruppe Pussy Riot. In Form einer Zeichnung hat er diese auf das Cover seines Kataloges gesetzt. Mit ihrer jüngsten, aufsehenerregenden und auch international zunehmend wahrgenommenen Performance haben diese Künstlerinnen mittlerweile wesentliche gesellschaftliche Diskussionen in ihrem Land angestoßen. Als Punkrockerinnen mit maskierten Gesichtern auftretend, hatten sie am 21. Februar 2012 in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale die provokante Parole: „Heilige Maria, gesegnete Jungfrau, vertreibe Putin!“, gesungen. Damit wollten sie unter anderem auf die stark machistische Prägung der Verflechtungen von politischer Macht und Kirche in Russland verweisen. Drei der mutmaßlich beteiligten Künstlerinnen werden seither in Untersuchungshaft gehalten. Ihnen drohen hohe Haftstrafen, die exemplarisch abschreckend wirken sollen. 14 namhafte österreichische Kunstinstitutionen, darunter das mumok, haben ihre Besorgnis darüber bereits in einem offenen Brief formuliert, vier weitere haben sich nach dessen Erscheinen angeschlossen.
Ausstellungskatalog Für den Katalog hat sich der Künstler von jenen Magazinen inspirieren lassen, die Henkel für Kunden wie auch für Mitarbeiter produziert. Die in Deutsch, Englisch und Russisch erscheinende Publikation enthält neben Vorworten von Karola Kraus und Eva Badura-Triska (mumok) einen Essay von Constantin Bokhorov.
Henkel Art.Award.
Seit 2002 schreibt Henkel Central Eastern Europe (CEE) den Henkel Art.Award. für die Region Zentral- und Osteuropa aus. Der mit 7.000 Euro dotierte Förderkunstpreis richtet sich an bildende Künstlerinnen und Künstler aus 23 Ländern und wird in Kooperation mit dem mumok und KulturKontakt Austria vergeben.