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Haushalt aus Papier

Bürgerlicher Alltag zur Zeit Mozarts

Haushalt aus Papier

Das Augsburger Klebealbum – eine kulturhistorische Rarität
Die Ausstellung „Der perfekte Haushalt aus Papier. Bürgerlicher Alltag zur Zeit Mozarts“ präsentiert ab 24. September 2014 im Hofmobiliendepot • Möbel Museum Wien einen wertvollen kulturhistorischen Schatz: das Augsburger Klebealbum, ein minutiös eingerichtetes „Spielzeughaus“ in Buchform.

Affichiert auf 19 Bildtafeln zeigt das Album die Räume eines Augsburger Bürgerhauses um 1780, bevölkert von seinen Bewohnern, Bediensteten und Besuchern. Menschen, Möbel und Gerätschaften wurden aus gedruckten Bilderbögen ausgeschnitten und ins Album eingeklebt. Dem aufmerksamen Betrachter erschließt sich damit ein großbürgerlicher Haushalt der damaligen Zeit bis ins kleinste, liebevoll ausgeführte Detail.

Mehr als 160 Ausstellungsstücke (vom Kleinmöbel über Geschirr und Bilder bis zu Alltags- gegenständen), die en miniature im Album abgebildet sind, ergänzen die ausgestellten Bildtafeln dreidimensional in realer Größe und ermöglichen eine lebendige und anschau- liche Begegnung mit einem „perfekten Haushalt“ des ausgehenden 18. Jahrhunderts.

Was war ein „Klebealbum“?
Ein Klebealbum war ein Bilderbuch, dessen vorerst leere Seiten selbst gestaltet wurden. Mit Feder, Aquarell und Gouache entstanden die Gerüste von Innenräumen, Gärten und Straßenzügen. Zur Belebung der Plätze und Räume dienten Miniatur-Darstellungen von Figuren und Objekten, die auf Ausschneidebögen gedruckt, dann einzeln ausgeschnitten, koloriert und ins Buch geklebt wurden. Es gab Bögen mit Natur- und Landschaftsmotiven, Tieren, biblischen Szenen, Kinderspielen, Möbeln, Küchenutensilien usw. Jedes Buch war ein individuell angefertigtes Einzelstück und nach Fertigstellung ein opulenter, farben- prächtiger Band. Eine der Besonderheiten des ausgestellten Klebealbums ist, dass die meisten Figuren und Gegenstände nachgezeichnete Kupferstiche sind.

Der individuellen Gestaltung waren bei der Ausstattung der Räume keine Grenzen gesetzt: Die Benutzer klebten Vorhänge aus echtem Stoff vor die Fenster, Kleisterpapier auf die Böden oder Brokatpapier als Tapeten an die Wände. Manches im Buch war auch beweg- lich: Türen konnten geöffnet und einzelne Teile ausgeklappt werden.

Ein Klebealbum war somit eine zweidimensionale Alternative zum Puppenhaus und nicht nur Freizeitbeschäftigung. Es hatte auch didaktischen Wert, übte die Fingerfertigkeit und vermittelte lehrreiche Details zur Haushaltsführung und Kindererziehung.

Für die heutigen Betrachter bietet ein Klebealbum eine Fülle an Entdeckungen: Mode, Wohn- und Esskultur, Küchenausstattung und Familienleben lassen sich detailreich nachvollziehen.

Klebealben waren Alltagsgegenstände und wurden kaum überliefert. Der Forschung sind bislang vier erhaltene Exemplare dieser Art bekannt. Das Augsburger Klebealbum ist das schönste und am aufwändigsten gearbeitete und gilt daher als besondere Rarität. Für die Designgeschichte ist es ein Glücksfall: Bis zu seinem Auftauchen gab es in der Kunstge- schichte keinen auch nur annähernd so vollständigen Einblick in die regionale Raum- und Handwerkskunst des süddeutschen Raumes.

Historischer Hintergrund
Augsburg war ab 1276 freie Reichsstadt, unter- stand damit direkt dem Kaiser und stieg über die Jahrhunderte zu einer der wohlhabendsten Han- dels- und Kulturstädte des deutschen Sprach- raums auf.

Die Stadt stand im Zentrum der Reformation, litt zwar unter den Wirren des 30jährigen Krieges, war im 18. Jahrhundert aber wieder eine Hoch- burg des Bankwesens, des Buch- und Kattun- drucks, der Goldschmiede und Kupferstecher, Geburtsstadt von Leopold Mozart und Reiseziel von Berühmtheiten wie Herder, Goethe, Beetho- ven oder Wolfgang Amadeus Mozart.

Im Augsburg des ausgehenden 18. Jahrhunderts lebten etwa 30.000 Menschen. Die Stadt war paritätisch organisiert, Protestanten und Katholiken lebten gleichberechtigt zusammen. Neben dem Handel war das blühende Handwerk eine Basis für den Wohlstand: Kattun- Stoffe, Fayencen, Silber und Uhren fanden großen Absatz. Beispiele für all diese Luxus- güter sind auch im Album zu finden.

Mit Ende der Napoleonischen Kriege 1805 verlor Augsburg seinen Status als Reichsstadt und in der Folge rasch an Bedeutung.

Das Augsburger Klebealbum
Das im Hofmobiliendepot ausgestellte Augsbur- ger Klebealbum entstand zwischen 1780 und 1786 und wurde für Regina Barbara Walther (1754–1834) angelegt. Mit einem Format von ca. 44 x 56 cm pro Seite war es besonders groß.

Das dargestellte Haus mit der Hausnummer D 285 am Annaplatz in Augsburg ist das ihres Va- ters Johann Georg Walther (gest. 1787), ein protestantischer Juwelier und Stadtratsmitglied.

Regina war zum Zeitpunkt der Herstellung des Albums bereits 26 Jahre alt. Daraus erklärt sich auch der ungewöhnlich gute Erhaltungszustand: Richtig gespielt wurde damit wohl nie.

Von den ursprünglich 24 Seiten sind heute noch 19 im Original erhalten. Das Buch wurde Ende des 20. Jahrhunderts nach Amerika verkauft, dort zerlegt und die zusammengehörenden Doppel- seiten zu einzelnen großen Blättern zusammen- gefügt und auf Leinwand aufgezogen. Als es An- fang des 21. Jahrhunderts nach Europa zurück- kehrte, waren fünf Bilder verschollen, diese sind jedoch als Fotografien überliefert.

Ausstellungsgestaltung
Das Designerinnen-Duo Julia Landsiedl und Cora Akdogan konzipiert die Ausstellung als „begehbares Klebealbum“.

Prägende Gestaltungselemente sind die formalen und inhaltlichen Unregelmäßigkeiten, die in einem solchen Album zu finden sind und seinen Charme ausmachen: verschieden große Objekte und Menschen, schräge Perspektiven oder Treppen, die nirgendwo hin- führen.






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  • 24.09.2014 - 11.01.2015
    Ausstellung »
    Hofmobiliendepot. Möbel Museum »

    Dienstag–Sonntag 10.00–18.00 Uhr

    Eintrittspreise: € 8,50 / € 7,50 / € 6,00

    Publikation: Die Kunst zu wohnen. Ein Augsburger Klebealbum des 18. Jahrhunderts. Hg. Georg Haindl. Deutscher Kunstverlag, München, 2010, € 39,90



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  • Der „Weiße Salon“ aus dem Augsburger Klebealbum © Privatbesitz, Augsburg
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    Hofmobiliendepot. Möbel Museum