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Georg Aerni Silent Transition

Georg Aerni hat parallel zu seiner Arbeit als Architekturfotograf ein umfangreiches künstlerisches Œuvre geschaffen. Dieses wurde zwar immer wieder punktuell gezeigt, bis heute fehlt es aber an einer grösseren musealen Würdigung. Die Ausstellung in der Fotostiftung Schweiz rückt nun die seit 2011 entstandenen Arbeiten in den Mittel- punkt und zeigt sein Schaffen als bedeutende Position der zeitgenössischen Schwei- zer Fotografie.

In konsequenter Fortsetzung seines früheren Werks beleuchtet Georg Aerni die Schnitt- stellen zwischen Kultur und Natur, untersucht die Zeichensprache urbaner Räume oder widmet sich den Metamorphosen von Landschaften und Bauwerken. Seine neueren Ar- beiten kreisen auch um Fragen der Ökologie und Nachhaltigkeit, so etwa in eindrückli- chen Bildessays über gigantische, von Gewächshäusern vollständig zugedeckte Land- striche in Südspanien oder wild wuchernde Siedlungen in Kairo.

Unaufdringlich, ohne moralischen Zeigefinger und zuweilen mit ironischem Unterton thematisiert Georg Aerni den Umgang mit natürlichen Ressourcen, Land und Topogra- phie oder die Vergänglichkeit von Bauwerken, die für die Ewigkeit errichtet wurden.

Bauten und Strukturen sind ein Grundthema im Schaffen von Georg Aerni, der 1959 in Win- terthur geboren ist und sich bereits wenige Jahre nach Abschluss seines Architekturstudiums ganz der Fotografie zuwandte. Bald machte er sich im Bereich der klassischen Architekturfoto- grafie einen Namen, profilierte sich aber ebenso als unermüdlicher Flaneur und Beobachter. Auf seinen Streifzügen durch Stadt und Land entdeckte Aerni Behausungen, Konstruktionen und Objekte aller Art, die er in sorgfältig komponierte Bilder übersetzte. Viele seiner freien künstleri- schen Arbeiten weisen immer noch enge Bezüge zum Thema Architektur auf, doch sie gehen weit über das hinaus, was man gemeinhin unter «Architekturfotografie» versteht. Schon Aernis umfangreiche, preisgekrönte Monografie Sites & Signs von 2011 enthielt neben Bildern von ur- banen Konstellationen eine Reihe von Werken, die sich schwer einordnen lassen: surreal wir- kende Eingriffe in die Landschaft; informelle oder unbewusste Bauten, die keinen Plan erkennen lassen; oder Geländeformationen, die als Baustellen der Natur bezeichnet werden könnten.

Die Ausstellung Silent Transition versammelt rund 90 dieser neuen, nach 2011 entstandenen Einzelbilder oder kleinen Serien, die sich aber doch wieder zu kohärenten Gruppen zusammen- fügen lassen. So ergeben sich Verdichtungen, die alles andere als momenthafte Impressionen sind. In der assoziativen Reihung zeigt sich eine tiefgründige, wiederkehrende Reflexion über das Zusammenspiel – oder die Entzweiung – von Kultur und Natur, über langsame Transfor- mationsprozesse von Landschaften, über die zeitliche Dimension des Bauens oder über die Rolle des Zufalls in unserer Wahrnehmung. Die Kraft von Aernis Bildern kommt in grossformati- gen Tableaus zum Ausdruck: Diese fesseln nicht nur durch ihre gestalterische Präzision, sie la- den auch zum Innehalten und Eintauchen ein, verführen zur stillen und meditativen Betrachtung. Georg Aerni fotografiert immer sachlich und unaufgeregt, ohne jedes Pathos und ohne aktivisti- sche Absicht. Da und dort ist allenfalls ein diskreter Anflug von Ironie erkennbar: So zum Bei- spiel, wenn er gigantische Staumauern oder in Stein gehauene Treppen zeigt, die die Zeichen

des Zerfalls in sich tragen; wenn Rost, Moose oder allerlei Verfärbungen fast beiläufig vom Zahn der Zeit erzählen. In Aernis Ansatz liegen Baustellen und Ruinen, Geplantes und Ungeplantes nicht weit auseinander. Den Schwemmholzknäueln, die sich im Gestrüpp eines Flussufers ver- fangen, widmet er sich mit derselben Ernsthaftigkeit wie den Betonwänden und Stützen, mit de- nen man einer mächtigen Felswand zu trotzen versucht. Sein konsistent-nüchterner Stil verbin- det die Bilder von langfristig konzipierten Bauwerken mühelos mit Aufnahmen, die das Provisori- sche zeigen: Zwischenlager und Einrichtungen, die der Landschaft ein neues Gesicht geben oder selbst zur Landschaft werden; Konstruktionen, die für befristete Einsätze gebaut sind, dann aber als skurrile Überreste stehen bleiben; Skulpturen, die nie als Skulpturen gedacht waren.

Immer wieder richtet der Fotograf seinen Blick auf Prozesse, die sich der menschlichen Kon- trolle entziehen, am deutlichsten in jenen Werken, in denen die Natur selbst zur Künstlerin wird – zum Beispiel bei Wasserfällen, die vorübergehend zu Eis erstarrt sind. Auch seine Aufnahmen von imposanten alpinen Steilwänden sind keineswegs zeitlos: Bei aller Monumentalität erschei- nen sie als verletzliche, wandelbare, von Erosion, Vegetation und Jahreszeiten gezeichnete Fal- ten und Schichten (so der Titel der Serie). Der Fotograf lässt uns durch die Oberfläche in die Ver- gangenheit blicken – auf steingewordene Zeit.

Die Ausstellung wurde kuratiert von Peter Pfrunder, Direktor Fotostiftung Schweiz.

Begleitend zur Ausstellung ist die Monografie Georg Aerni – Silent Transition im Verlag Schei- degger & Spiess, herausgegeben von Peter Pfrunder und Nadine Olonetzky, erschienen.

Mit Texten von Sabine von Fischer, Nadine Olonetzky und Peter Pfrunder. Gestaltung: Hanna Williamson-Koller.








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  • Georg Aerni, Al Masaken, 2018 (from Silent Transition) © Georg Aerni
    Georg Aerni, Al Masaken, 2018 (from Silent Transition) © Georg Aerni
    Fotostiftung Schweiz
  • Georg Aerni, Balma, 2021 © Georg Aerni
    Georg Aerni, Balma, 2021 © Georg Aerni
    Fotostiftung Schweiz
  • Georg Aerni, Wassen, 2014 © Georg Aerni
    Georg Aerni, Wassen, 2014 © Georg Aerni
    Fotostiftung Schweiz
  • Georg Aerni, Lago del Zött, 2011 © Georg Aerni
    Georg Aerni, Lago del Zött, 2011 © Georg Aerni
    Fotostiftung Schweiz
  • Georg Aerni, Alpe Soglio, 2014 © Georg Aerni
    Georg Aerni, Alpe Soglio, 2014 © Georg Aerni
    Fotostiftung Schweiz