Afrika und Lübeck - Eine Spurensuche
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Ausstellung02.09.2022 - 29.01.2023
Am Freitag, 2. September, eröffnet im Industriemuseum Herrenwyk die dritte und letzte Teilausstellung des Afrika-Zyklus der Lübecker Völkerkundesammlung. Nach zwei Ausstellungen zum Verhältnis von Mensch und Umwelt sowie zu Religionen geht es nun unter dem Titel „Afrika und Lübeck – eine Spurensuche“ um die historischen und heutigen Beziehungen Lübecks zu den Ländern, Menschen und Kulturen des Kontinents. Hierbei werden ein zeitlicher Bogen vom kolonialen Sklavenhandel bis zu Lübecks heutiger Rolle als Fair Trade Stadt gespannt und historische Lübecker Aktivitäten in Afrika mit Stimmen aus der heutigen afrikanischen Community in der Stadt kontrastiert. Die Schau umfasst Kunstwerke aus dem Nachlass des Kieler Afrika-Sammlers Bernd Muhlack ebenso wie Exponate und Interviews, die vom heutigen afrikanischen Leben in Lübeck zeugen. Sie ist bis 29. Januar 2023 zu sehen.
Prof. Dr. Hans Wißkirchen, Leitender Direktor der LÜBECKER MUSEEN, hebt den besonderen Stellenwert der museumsübergreifenden Arbeit hervor: „Der Afrika-Zyklus hat sehr deutlich gemacht, wie produktiv die Zusammenarbeit im Museumsverbund sein kann. Die Exponate der Völkerkundesammlung sind in keinem der drei Museen ein Fremdkörper geblieben, sondern haben immer auch überraschende neue Bezüge zu den Leitthemen der Dauerausstellungen hergestellt. In Herrenwyk wird die Verbindung von Industriegeschichte und Kolonialismus sehr deutlich.“
Zwangsläufig liegt ein Schwerpunkt der Ausstellung auf dem Kolonialismus. So konfrontiert die Ausstellung die Besucher:innen mit einem bisher verdrängten Kapitel der Lübecker Stadtgeschichte. In den vergangenen Jahren hat sich die Lübecker Völkerkundesammlung mit verschiedenen Partner:innen in der Stadt darum bemüht, Spuren der Lübecker Kolonialgeschichte zu suchen. Dabei zeigte sich, dass Menschen und Unternehmen aus der Hansestadt an buchstäblich allen Aspekten des Kolonialismus von der Missionierung, Erforschung, Eroberung, Verwaltung bis zur Ausbeutung, Versklavung und massenhaften Ermordung von Menschen in Afrika beteiligt waren. Gleichwohl gab es in Lübeck auch kritische Stimmen gegen Sklaverei oder Völkermord und es wurden damals die Fundamente der heutigen multikulturellen Stadtgesellschaft gelegt.
Ebenso gilt es anzuerkennen, dass die Menschen in Afrika nicht nur wehrlose Opfer europäischer Allmacht waren, sondern dass sie in ihrer Kunst und Kultur kreative Wege der Anpassung oder des Widerstands gegen die Einflüsse aus Europa fanden. Besonders deutlich wird dies an den Kunstwerken aus dem Nachlass des Kieler Afrika-Sammlers Bernd Muhlack (1937-2020), welche die Kreativität, die Vielfalt und Wandelbarkeit der afrikanischen Kunst in Vergangenheit und Gegenwart vor Augen führen. So werden in der Ausstellung u.a. sogenannte Colon-Figuren gezeigt, afrikanische Darstellungen von Europäern, die geradezu humorvoll die Kolonialherren parodieren.
Besondere Beachtung verdienen auch die Exponate und Interviews in der Ausstellung, die von dem heutigen afrikanischen Leben in Lübeck zeugen. Eigens für die Ausstellung befragte Bürger:innen mit afrikanischem Migrationshintergrund berichten von ihren Wegen nach Lübeck, von Lieblingsorten und Integrationserfahrungen in der Stadt, aber auch von Rassismus und Diskriminierung.
Der Kurator der Ausstellung und Leiter der Völkerkundesammlung Dr. Lars Frühsorge ist sich der Tatsache bewusst, dass er ein schwieriges Thema an einem ungewöhnlichen Ort präsentiert. Er betont, dass diese Ausstellung nur der Auftakt für eine umfassendere Erforschung der Lübecker Kolonialgeschichte – auch jenseits von Afrika - ist, welche nicht allein von den LÜBECKER MUSEEN geleistet werden kann: „Wir möchten mit dieser Ausstellung zunächst einmal überhaupt ein Bewusstsein dafür schaffen, dass Lübeck eine Kolonialgeschichte hat. Ich würde mir wünschen, dass viele Menschen ihren Weg nach Herrenwyk finden, um sich selbst ein Bild zu machen, mit uns zu diskutieren und sich vielleicht sogar zukünftig an dieser Spurensuche zu beteiligen. Mit unserer Internetplattform http://afrika-in-luebeck.de/ haben wir bereits eine gute Basis für so eine neue Form der partizipativen Museumsarbeit geschaffen.“
Tatsächlich basiert ein Teil der Ausstellung auf Recherchen von Lübecker Bürger:innen, die im Rahmen des Internetprojekts „Afrika in Lübeck“ zusammengetragen wurden. Und auch das Lübecker KOLK 17 Figurentheater & Museum beteiligt sich mit einer Leihgabe erneut an dieser Ausstellung.
Christian Rathmer, der neue Interimsleiter des Industriemuseums Herrenwyk, ist von dem Afrika-Projekt überzeugt. Als Historiker hat er sich bereits seit vielen Jahren auch mit den dunkleren Kapiteln der Lübecker Stadtgeschichte - insbesondere der Zeit des Nationalsozialismus - auseinandergesetzt und konnte dieses Wissen daher gleich aktiv in die Ausstellung mit einbringen. „Ich sehe viele Bezüge in dieser Ausstellung zu unserem Haus. Die Lübecker Kolonialgeschichte ist ganz wesentlich auch eine Industriegeschichte. Denken wir nur an die große Bedeutung des Handels mit Kolonialwaren für die Lübecker Wirtschaft im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Oder an die Konservenindustrie. Haltbare Nahrung, wie sie die Lübecker Fabriken produzierten, war eine wichtige Grundlage für die Armeen und Forschungsexpeditionen, die Afrika kolonisiert haben. In unserem Museum berichten wir zudem über Zwangsarbeit während des Zweiten Weltkriegs und die Geflüchteten am Ende des Krieges. Durchaus ähnliche Erfahren haben auch die Menschen in Afrika gemacht. So finde ich es interessant, diese Aspekte in unserem Begleitprogramm mit verbindenden Führungen und Veranstaltungen zu vergleichen.“
Die Ausstellung wurde gefördert von der Possehl-Stiftung und der Gemeinnützigen Sparkassenstiftung zu Lübeck.
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02.09.2022 - 29.01.2023
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