Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung Kunst und Nationalsozialismus in Tirol
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Ausstellung14.12.2018 - 07.04.2019
Innsbruck, 13.12. 2018 – Als die deutschen Truppen am 12. März 1938 in Innsbruck einmarschieren, finden sie eine jubelnde Bevölkerung und ein mit Hakenkreuzfahnen beflaggtes Innsbruck vor. Die Nationalsozialisten beeinflussen in den kommenden Jahren maßgeblich die Kunstlandschaft in Tirol. Sie verbieten nicht nur „entartete“ Kunst, verfolgen und ermorden Künstlerinnen und Künstler, sie reglementieren auch die als regimekonform gesehene Kunst. Die aktuelle Sonderausstellung im Ferdinandeum beleuchtet die schwierige Geschichte der Tiroler Kunst im Nationalsozialismus und wirft einen zeitgenössischen Blick auf Vergangenheit und Gegenwart.
Infolge des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich wurden alle bis 1938 bestehenden Künstlervereinigungen und Künstlerbünde aufgelöst. Alle Künstler und Künstlerinnen hatten „ihre Eingliederung“ in die Reichskunstkammer als einzige verbindliche Standes- und Berufsvertretung „zu bewirken“. Vom neu erbauten Gauhaus aus, dem heutigen Landhaus am Eduard-Wallnöfer-Platz, wurde die gesamte Kulturlandschaft überwacht und reglementiert. Nur wer einen Ariernachweis erbringen konnte, „politisch zuverlässig“ war und „arteigene“ Kunst produzierte, konnte Mitglied werden und damit Malutensilien kaufen sowie an Malkursen und den Gau-Kunst-Ausstellungen teilnehmen.
Die heute eröffnete Sonderausstellung „Zwischen Ideologie, Anpassung und Verfolgung. Kunst und Nationalsozialismus in Tirol“ widmet sich dieser Zeit und diesen Gegebenheiten. Für PD Dr. Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuseen, ist diese Sonderschau eine gesellschaftspolitisch wichtige Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte. „Ein möglichst unverstellter Blick, um die Frage nach schlichter Anpassung, nach Gegenentwurf oder Negierung von Werk und Künstlerinnen und Künstlern zu beleuchten, war uns wichtig“, so Meighörner.
Der Ausstellungsgast wird bei seinem Museumsbesuch dank der ausgeklügelten Ausstellungsarchitektur von ColumbusNext, die ganze drei Stockwerke des Ferdinandeum durchzieht, durch diese Zeit begleitet. Angelegt ist die Schau thematisch, ein Thema wird pro Raumbereich behandelt: Nach einem historischen Einstieg mit der Darstellung des Einmarsch deutscher Soldaten in Innsbruck 1938, gezeigt als Videoinstallation im Foyer des Ferdinandeum, wird schon eingangs sichtbar, dass die Kunst des Nationalsozialismus stilistisch vielfältig ist. Sie erschließt sich über Thema und Inhalt der Werke. In der Frage nach der ideologischen Absicht bleibt häufig Interpretationsspielraum. Besucher und Besucherinnen werden weiters durch Bereiche geführt, die das System der Macht – Organisationsstruktur und Ausstellungswesen – zur NS-Zeit thematisieren und die öffentliche Kunst der damaligen Zeit zeigen: Bilder vom Krieg, Werke aus den Gau-Kunst-Ausstellungen, „angepasste“ Kunst, instrumentalisierte und „geschätzte“ Kunst. Künstlern, die in Tirol – auch nur vermeintlich – Zuflucht fanden ist ein weiterer Bereich gewidmet. Folgt man dem Parcours weiter präsentieren sich schließlich Werke vertriebener, isolierter und zur der NS-Zeit ignorierter Künstler. In die Ausstellung eingebettet findet sich ein Bühnenbereich mit Leinwand für das reichhaltige Rahmenprogramm, für Vorträge, Gespräche, Diskussionen. Der Ausstellungsparcours endet im zweiten Stock mit den dramatischen Zeichnungen und Radierungen Harald Pickerts von den Grauen des NS-Terrors – eingebettet in aktuelle künstlerische Kommentare, die sich u.a. mit dem Nachhall des Nationalsozialismus auseinandersetzen.
„Die Ausstellungsarchitektur inszeniert die gewählten Themen in intuitiv erfassbarer Weise, das System der Macht ist etwa als Büro, der Bereich mit beschlagnahmter Kunst als Depot organisiert“, veranschaulicht Kurator Dr. Günther Dankl das architektonische Konzept. Die Architektur und die in der Ausstellung gezeigten Werke, Zeitdokumente und Objekte spiegeln eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema, und bilden – auch mit der Begleitpublikation – einen Teil im Mosaik der wissenschaftlichen Aufarbeitung im Bereich der bildenden Kunst. „Bei dieser Ausstellung taucht man in die Welt der Künstler ein und begreift, wie ambivalent das System ‚Gau-Kunst‘ war. Nicht die Schuldzuweisung oder die Frage nach dem Mitläufertum steht dabei im Mittelpunkt, sondern vielmehr das Aufzeigen der Strukturen und Mechanismen, die dazu führten, dass die Möglichkeiten dafür geschaffen wurden, Kunst gezielt als Instrument für Propaganda zu gebrauchen“, setzt Dankl fort.
Das Betriebssystem Kunst 1938–1945
Die aktuelle Sonderausstellung im Ferdinandeum beleuchtet die öffentlich gezeigte Kunst ebenso wie deren „Betriebssystem“ zur Zeit des Nationalsozialismus in Tirol, thematisiert wird dabei die Organisationsstruktur der Reichskunstkammer ebenso wie das Ausstellungswesen während der Zeit des Nationalsozialismus in Tirol. Zahlreiche Tiroler Künstler kämpften als Soldaten im Zweiten Weltkrieg, andere waren als Kriegsmaler und Kriegszeichner tätig. Ihre Bilder aus Frankreich, Norwegen, Griechenland oder Russland, die in den Gau-Kunst-Ausstellungen oder in der Schau „Bergvolk-Soldatenvolk“ von 1943 im Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum gezeigt wurden, verdeutlichen die propagandistischen Absichten, die die Kunst dieser Zeit direkt oder indirekt zu befolgen hatte.
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