Porträt- und Landschaftsmaler.
Erste deutsche Richard Gerstl-Retrospektive in Frankfurt
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Ausstellung24.02.2017 - 14.05.2017
Er ist der „erste österreichische Expressionist“ und für viele immer noch ein Geheimtipp: der Maler Richard Gerstl (1883–1908). Er wurde nur 25 Jahre alt und wird in einem Atemzug mit den großen Meistern der Wiener Moderne Gustav Klimt, Egon Schiele und Oskar Kokoschka genannt. In seinen wenigen Lebensjahren schuf der Künstler ein aufregendes und ungewöhnliches, wenn auch überschaubares Werk – eines mit beeindruckenden Höhepunkten und wegweisenden Neuerungen. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert vom 24. Februar bis 14. Mai 2017 die erste Retrospektive Richard Gerstls in Deutschland.
Seine Malerei reflektiert seine Auseinandersetzung mit den Widersprüchen der Moderne: Er war ein Rebell, widersetzte sich stilistisch und inhaltlich der Wiener Secession, lehnte deren Schönheitsbegriff ab und bekannte sich zu einer Ästhetik des Hässlichen. Gerstl liebte die Provokation und malte in der Überzeugung, künstlerisch „ganz neue Wege“ zu gehen, gegen tradierte Regeln an. Dabei schuf er schonungslose und selbstbewusste Bilder, die keinem Vorbild folgen und bis heute ihresgleichen suchen. Sein Œuvre ist das eines Suchenden, das bereits vieles vorweg nahm, was erst später in der Kunstgeschichte ausformuliert wurde, etwa in der Malerei des Abstrakten Expressionismus der 1950er-Jahre. Das Porträt, vor allem das Selbstporträt, der Akt und die Landschaft sind Gerstls bevorzugte Genres. Die Ausstellung in der Schirn zeigt u. a. zwei Selbstporträts des Malers: das früheste, das Selbstbildnis als Halbakt von 1902/04 und sein letztes, das Selbstbildnis als Akt von 1908. Neben Porträts wie Die Schwestern Karoline und Pauline Fey (März/April 1905) oder das Bildnis Henryka Cohn II (Sommer 1908) präsentiert die Ausstellung auch die zahlreichen Darstellungen von Mathilde Schönberg, etwa Mutter und Tochter (Ende 1906) oder Sitzender weiblicher Akt (Herbst 1908) sowie Porträts der Freunde und Schüler des Komponisten Arnold Schönberg, wie etwa das Bildnis Alexander von Zemlinsky (Juli 1908). Gerstls Gemälde Die Familie Schönberg und insbesondere das Gruppenbildnis mit Schönberg (beide Ende Juli 1908) bilden einen Höhepunkt in der Ausstellung. Die Schirn versammelt von 60 überlieferten Werken Richard Gerstls insgesamt 53, darunter Leihgaben aus führenden Museen Österreichs, u. a. aus dem Leopold Museum, der Galerie Belvedere, dem MUMOK, dem Wien Museum, der Albertina, dem Oberösterreichischen Landesmuseum Linz und dem Museum der Moderne Salzburg. Ein großes Konvolut kommt zudem aus der Neuen Galerie in New York und weitere Werke aus wichtigen europäischen und amerikanischen Privatsammlungen. Zur Ausstellung erscheint eine wissenschaftliche Publikation mit einem – erstmals seit 1993 – aktualisierten Werkverzeichnis.
Die Ausstellung „Richard Gerstl Retrospektive“ wird durch den Verein der Freunde der Schirn Kunsthalle e. V. gefördert. Dr. Philipp Demandt, Direktor der Schirn, über die Retrospektive: „Zu Lebzeiten blieb der ‚Frühexpressionist‘ ein Unbekannter, auch da er keine einzige Ausstellung hatte. Bis heute wird Richard Gerstls Œuvre als besonders zeitlos und aufregend zeitgenössisch rezipiert. Seine Malerei nahm vieles vorweg, was erst viel später in der Kunstgeschichte seinen Platz gefunden hat. Die Schirn Kunsthalle Frankfurt präsentiert nun die erste große Retrospektive des Österreichers in Deutschland mit fast allen überlieferten Werken. Gerstl ist eine wahre Entdeckung für die Besucherinnen und Besucher und sicherlich schon bald kein Geheimtipp mehr.“
„Richard Gerstl hat wie ein Seismograf die unterschwelligen Spannungen seiner Epoche verarbeitet. In der von Verdrängung geprägten Gesellschaft in Wien um 1900 war er einer der Ersten, die Sigmund Freuds Traumdeutung lasen. Er war nicht nur künstlerisch talentiert, sondern auch hochgebildet, und beschäftigte sich mit Musik, Philosophie, Fremdsprachen und Literatur. Es steht außer Frage, dass Gerstl – seinem rebellischen Geist folgend – die Kunsttendenzen seiner Zeit viel stärker reflektiert hat, als es viele seiner Künstler-Zeitgenossen taten“, so Dr. Ingrid Pfeiffer, Kuratorin der Ausstellung.
Richard Gerstls Werk umfasste ursprünglich rund 80 Arbeiten, wovon heute nur etwa 60 überliefert sind. Die Unterschiede zwischen Gerstls Malerei und jener seiner Zeitgenossen, der Wiener Secessionisten, sind auffällig und betreffen ebenso den künstlerischen Stil wie auch die Inhalte. Gerstl verweigerte sich grundsätzlich allegorischen Themen und interessierte sich nicht für Angewandte Kunst und Grafik. Sein Verständnis von künstlerischer Ästhetik richtete sich vehement gegen die von der Secession vertretene Auffassung einer vollständigen Stilisierung und Ästhetisierung aller Lebensbereiche. Gerstls Malerei zeichnet sich vielmehr durch eine schonungslose Direktheit ohne Symbolik oder literarische Bezüge aus. Obwohl er schon früh in Kunstkreisen verkehrte – bereits als 15-jähriger wurde er 1898 in die Wiener Akademie der bildenden Künste aufgenommen –, hatte er zeitlebens nicht eine einzige öffentliche Ausstellung. 1908 ergaben sich für ihn zwar Möglichkeiten, die er aber nicht nutzen konnte oder wollte: Zum einen übte Gerstl scharfe Kritik an einer geplanten Ausstellung des Hagenbundes – initiert durch den Mitbegründer, seinen Akademielehrer Professor Heinrich Lefler. Aus Furcht vor einem Skandal wurden seine Werke aus der Präsentation ausgeschlossen. Zum anderen lehnte Gerstl selbst wiederholt Ausstellungsinitiativen ab. So wollte er etwa nicht zusammen mit Gustav Klimt (1862– 1918) in der von Carl Moll geleiteten Galerie Miethke ausstellen.
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24.02.2017 - 14.05.2017
ÖFFNUNGSZEITEN
DIENSTAG, FREITAG – SONNTAG 10 – 19 UHR
MITTWOCH, DONNERSTAG 10 – 22 UHRÖFFNUNGSZEITEN MINISCHIRN
DIENSTAG – SONNTAG 10 – 18 UHRRICHARD GERSTL
9 € REGULÄR
7 € ERMÄSSIGT