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Abstrakten Kunst

Manfred Jürschik Aspekte der Natur

Abstrakten Kunst

„Wenn du immer dem Weg anderer folgst, wirst du deinen eigenen nicht finden.“ Dieser Satz findet sich handschriftlich in der Mappe, in der Manfred Jürschik die Fotos von seinen jüngsten Bildern geordnet hat, jenen Materialcollagen, die er für die Ausstellung in der Galerie Widder vorgesehen hat. Die Aussage ist typisch für den Künstler, der sich selber lieber als „Gestalter“ bezeichnet. In einer Umkehrung des berühmten Diktums von Joseph Beuys erklärt Jürschik: „Ein Künstler ist ja jeder“.

Manfred Jürschik geht mit Sicherheit seinen eigenen Weg. Dies hat wohl irgendwie immer schon auf den gelernten Chemie- laboranten zugetroffen, der nicht nur ein Leben lang hart gear- beitet, sondern auch mit offenen Augen die ganze Welt bereist hat, immer auf der Suche nach dem Wesen der Dinge und auf der Suche nach Selbsterkenntnis, zwei Dingen, die für Manfred Jürschik untrennbar miteinander verbunden sind. Es trifft in künstlerischer Hinsicht nun umso mehr zu, als Manfred Jürschik seinem Brotberuf, der Gemälderestaurierung, in dem er es in den vergangenen Jahrzehnten zu allseits anerkannter Meisterschaft gebracht hat, weitgehend Lebewohl gesagt und sich auf seine alte Leidenschaft besonnen hat, das Gestalten.

In den letzten vier Jahren hat Manfred Jürschik, der Gestalter, ein beachtliches Œuvre geschaffen, Bilder, die so gar nichts mit der Malerei zu tun haben, die er in seiner Werkstatt immer mit kundiger Hand restauriert hat. Die Materialien, die er zu seinen Collagen verarbeitet, sind für ihn „Relikte“, Teilstücke aus der Natur. „Es gibt ja nichts außer Natur“, so Jürschik. Thematisch gilt das genauso. Manfred Jürschik holt sich seine Inspiration beim Wandern, beim Betrachten von bröckelnden Mauern, von Bäumen, Gebäuden und Gestein. Natur und Kultur sind eins, der Mensch und seine Werke sind ebenso Natur wie eine alte Kork- eiche. Alles ist aus dem gleichen Stoff.

Beim gemeinsamen Betrachten einiger der neuen Bilder mit dem Künstler fällt die Bemerkung, das eine sehe aus wie Pla- neten im All; oder eben auch wie Zellstrukturen unterm Mikro- skop. Manfred Jürschik lacht und lässt beides gelten. Er ist alles andere als ein humorloser Grübler. Wie der Betrachter mit seinen Bildern kommuniziert, was er in ihnen sieht oder liest, da will er niemandem Vorschriften machen. Ein Bild mag ursprünglich einmal als weiblicher Akt angelegt gewesen sein; im Werkpro- zess hat es sich von der Ursprungsidee jedoch weit entfernt. Das Ergebnis ist pure Abstraktion, rein materielle Struktur, und doch drückt sich in jeder Arbeit die geistige Ordnung aus, die alles durchdringt und die alles ist. Die Struktur des Makrokosmos und jene des Mikrokosmos sind letzten Endes gleich. Wir alle sind aus der gleichen Materie geformt, aus der die gesamte belebte und unbelebte Natur besteht. Die Inspiration für ein anderes Bild stammt von einem markanten Baum, den Manfred Jürschik ein- mal auf einer Wanderung gesehen hat. Das Ergebnis ist kein Porträt des individuellen Baumes, eher abstrakter Ausdruck sei- ner Materialität und nicht nur seiner, sondern von Stofflichkeit an sich.

Manfred Jürschik arbeitet mit Kupferfolien, mit Holz, Lein- wand und neuerdings schwerpunktmäßig mit Kork, und zwar in allen denkbaren Erscheinungsformen: mit ganzen Rinden- stücken, aber auch mit Platten aus gepresstem Korkgranulat oder mit gemahlenem Kork. Seine Materialien sägt, fräst, bohrt, klebt, bindet und bemalt er, prozessorientiert und seinem eigenen Ge- stalterwillen folgend. Bei aller Liebe zur gegebenen Struktur und Farbigkeit von Rinde oder Erde ist Manfred Jürschik kein chemiefeindlicher Purist. Er scheut sich nicht davor, die „natür- lichen“ Materialien mit Kunstharzen oder Lacken zu mischen, zu binden oder anderweitig zu verändern und zu gestalten, um das Wesentliche sichtbar zu machen. Der Kork hat es Manfred Jürschik ganz besonders angetan. Seine persönliche Entdeckung des Korks ist etwas, das Manfred Jürschik seit seiner letzten Ausstellung, in Plankenberg 2014, ein entscheidendes Stück weitergebracht hat. Kork wird im Fernen Osten traditionell für geschnitzte Landschaften verwendet, und im 18. und 19. Jahrhundert gehörten Nachbildungen antiker Gebäude aus Kork zu den Sammlungen europäischer Fürsten- höfe. Diese und andere historische oder kunsthistorische Bezüge spielen für Manfred Jürschik aber keine wesentliche Rolle. Es ist vielmehr die poröse und unendlich variantenreiche Oberfläche der Rinde der Korkeiche sowie die Leichtigkeit des Materials, die den Künstler, den Gestalter, fasziniert. „Liebe auf den ersten Blick“ sei es gewesen, als er begonnen habe, sich mit Kork zu befassen. Und gerade in Verbindung mit dem unergründlich und geheimnisvoll reflektierenden Kupfer, dessen alchemistisches Symbol der Venusspiegel ist, ist Kork für ihn eine Offenbarung. Was genau fasziniert Manfred Jürschik so an der Struktur von Kork? Der Künstler lächelt und sagt ganz schlicht: „Es entsteht ein Glücksgefühl, wenn ich das anschaue.“

Manfred Jürschiks Korkbilder evozieren Emotionen auch beim Betrachter. Auf den Bildern passiert etwas, etwa dort, wo das kräftige Orangerot feurig zwischen den erdigen Brauntönen der Korkrinde pulsiert. Oder etwas kommt zur Ruhe, nämlich da, wo das Blau sich sanft über die zerklüftete Kork-Oberfläche legt. Manfred Jürschiks Bilder sind in ihrer unmittelbaren Stofflich- keit gekennzeichnet durch eine schlichte Sinnlichkeit. In ihnen kommt die lebensbejahende und nicht enden wollende Neugier ihres Schöpfers zum Ausdruck, der seine auf zahlreichen Reisen dem Leben und der Natur der Dinge abgelauschten Erkenntnisse und philosophischen Anschauungen mit Bestimmtheit, aber ohne jeden Absolutheitsanspruch vertritt und der sagt: „Es ist besser, das Leben zu leben, als über das Leben nachzudenken.“






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