1945
70 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg
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Ausstellung28.04.2015 - 10.05.2015
Soziale Not des Nachkriegsjahres: „Trümmerfrauen“ und „Opfermythos“
Während die Opfer des NS-Terrors aus der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verdrängt wurden, wurde das eigene Leiden betont. Ein Leiden, das zweifellos enorm war. Rund 1,6 Millionen Menschen waren zu Flüchtlingen geworden, Tausende waren ausgebombt und hatten kein Dach über dem Kopf, litten unter der Plünderungs- und Vergewaltigungswelle der Roten Armee oder verhungerten schlichtweg. Trotz Lebensmittellieferungen durch die Sowjetunion und die Westalliierten verdreifachten sich in Wien die Sterberaten. Zwei der bedrückendsten Dokumente der Ausstellung sind das Bild einer alten Dame, die im Schutt nach essbarem oder verwertbarem Abfall sucht, und ein Brief von Renée Gerstl, der Mutter der Schriftstellerin Elfriede Gerstl, die den französischen Kommandanten in Wien um ein Lebensmittelpaket bittet: Sie hatte sich als verfolgte Jüdin versteckt und war auf 36 Kilo abgemagert.
Die mangelnde Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, die soziale Not der Gegenwart, aber auch der beginnende Kalte Krieg, in dem Österreich drohte, zwischen die Fronten zu geraten, förderten das Selbstverständnis als Opfer des Nationalsozialismus. Ein Selbstverständnis, das auch politisch zum Ausdruck kam und bereits in der Präambel der Unabhängigkeitserklärung vom 27. April 1945 festgehalten wurde: Die Nationalsozialisten hätten das Volk „macht- und willenlos“ gemacht, Österreich sei, wie es auch in der Moskauer Deklaration der Alliierten von 1943 hieß, „das erste freie Land, das der Hitlerschen Aggression zum Opfer gefallen ist“. Die ebenfalls in der Deklaration thematisierte Mitveranwortung und Aufforderung zum Widerstand wurde hingegen weggelassen.
Erst 46 Jahre später und nach politischen Erschütterungen wie der „Waldheim-Affäre“ wurde dieser „Opfermythos“ auch von offizieller Seite durchbrochen, als der damalige österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzky am 8. Juli 1991 in einer Rede im Nationalrat bekannte: „Es gibt eine Mitverantwortung für das Leid, das zwar nicht 1945
Zurück in die Zukunft: „Rückbruch“ in die Zeit vor 1938 statt Neuanfang
1945, im Jahr eins nach dem Zweiten Weltkrieg, war man von dieser Sichtweise noch weit entfernt. Nach der Zeit des nationalsozialistischen Regimes galt es zunächst, ein neues Österreich aufzubauen, mit einer eigenen, unbelasteten nationalen Identität. Die kritische Reflexion der NS-Vergangenheit stand daher nicht im Mittelpunkt. Man wollte vielmehr, wie es der in der Ausstellung zitierte, einflussreiche Schriftsteller Alexander Lernet-Holenia 1945 ausdrückte, „dort fortsetzen, wo uns die Träume eines Irren unterbrochen haben“.
Für eine Antwort auf die Frage „Was ist Österreich?“ bewegte sich das Land 1945 daher, so der Befund dieser Ausstellung, zurück in die Zukunft. Der Rückgriff auf das teilweise geschönte wie überhöhte kulturelle Leben von Zwischenkriegszeit und Monarchie ersetzte den völligen Neubeginn nach dem Ende des Krieges. Knapp zusammengefasst bedeutete das: Österreich ist Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Burgtheater, Staatsoper, Philharmoniker, Wiener Sängerknaben und Salzburger Festspiele. Österreich als Kulturnation – das war eine Idee, die nicht nur Konservativen, sondern auch vielen Linken und sogar Exilanten attraktiv erschien. Entsprechend wurden Burgtheater und Staatsoper als Symbole des Wiederaufbaus rekonstruiert, ohne dabei moderne Akzente zu setzen. Eine Tourismusbroschüre von 1945 in der Ausstellung deutet dieses neue Österreich-Bild schon an: Die Kameralinse schwebt über den Dächern der Wiener Innenstadt mit der Kuppel der barocken Peterskirche und dem gotischen Stephansdom im Fokus – auf dem Bild tourismusgerecht mit Dach, obwohl es in Wirklichkeit 1945 noch zerstört war.
Doch nicht alle waren mit diesem „Rückbruch“ in die Zeit vor 1938 einverstanden. Leopold Figl, KZ- Überlebender und erster Bundeskanzler der Zweiten Republik, forderte in seiner Regierungserklärung am 21. Dezember 1945, die in Ausschnitten in der Ausstellung zu hören ist: Es müsse ein „neues, revolutionäres Österreich“ aufgebaut werden, das „weder eine Wiederholung von 1918, noch von 1933, noch eine von 1938“ ist. Denn, so Figl: „Wir sind Bettler geworden und müssen von Grund auf neu anfangen.“
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28.04.2015 - 10.05.2015
Dienstag – Sonntag 10 – 18 Uhr
Donnerstag 10 – 21 UhrEintritt
€ 7,– Ermäßigungen siehe hier Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren haben freien Eintritt in alle musealen Bereiche.„1945. Zurück in die Zukunft. 70 Jahre Ende Zweiter Weltkrieg“ ist vom 28. April bis 10. Mai 2015 im Camineum der Österreichischen Nationalbibliothek, Josefsplatz 1, 1010 Wien, zu sehen. Danach werden Teile der Ausstellung vom 26. Juni bis 12. September 2015 in der Oberösterreichischen Landesbibliothek in Linz präsentiert. Zur Ausstellung ist eine Begleitbroschüre erschienen, die für 3,-- Euro an der Kassa erhältlich ist.