Kunst
Selbstjustiz durch Fehleinkäufe. Eine Auswahl der Neuerwerbungen der Sammlung Falckenberg
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Ausstellung06.02.2015
Für den Katalog der Art Basel 2014 habe ich unter dem Titel »Every Era Gets the Art World it Deserves« die Chancen, aber auch das Dilemma der heutigen Kunstentwicklung beschrieben. Es ist ein lakonische Bestandsaufnahme, hart an der Grenze der immer wieder behaupteten, aber doch immer noch widerlegten These vom Ende der Kunst. Weiter habe ich für das Magazin »Texte zur Kunst« einen Aufsatz »Auf dem Prüfstand. Galerien als Wirtschaftsunternehmen« verfasst. Beide Beiträge füge ich dieser Pressemitteilung an.
Harald Falckenberg, Februar 2015
Artworld. Jede Zeit hat die Kunst, die sie verdient.
Der Begriff „Artworld“ wurde Mitte der 60er Jahre von Arthur Coleman Danto geprägt, dem einflussreichen amerikanischen Kritiker und Pionier der Kunsttheorie, der 89jährig am 27. Oktober 2013 verstorben ist. Anders als die traditionelle Repräsentationskunst, die mit den Mitteln des Schönen, Guten und Wahren die Macht und den Einfluss der Kirche, der Fürsten und der Großbourgeoisie manifestierte, steht die „Artworld“ für ein komplexes Bezugssystem moderner Gegenwartskunst, das nur im Kontext ökonomischer, gesellschaftspolitischer und wissenschaftlicher Zusammenhänge zugänglich und erklärbar ist. Die grenzüberschreitende Ausrichtung der Kunst fand in der ursprünglich von Joseph Beuys propagierten Formulierung des „erweiterten Kunstbegriffs“ ihren programmatischen Ausdruck. Den Sündenfall datiert Danto auf den 21. April 1964, als Andy Warhol in der New Yorker Stable Gallery die „Brillo Boxes“ als amerikanische Konsumversion der Readymades von Marcel Duchamp präsentierte. Pop Art, das soll Kunst sein, war die empörte Frage gerade auch der Vertreter der New York School of Art um Clement Greenberg, die mit dem abstrakten Expressionismus und in der zweiten Phase mit den Colour Field Paintings eine spezifische amerikanische Kunst gegen den Eurozentrismus der École de Paris durchsetzen wollten. Aber es gab in den 60er/70er Jahren mit der Minimal-, Land- und Conceptual Art jede Menge Gegenentwürfe zur New York School. Mit performativer Kunst traten in Europa die Wiener Aktionisten und die Fluxus-Bewegung an, um eine freie durch Kunst bestimmte Gesellschaft zu etablieren.
Das natürlich ist nur ein kursorischer Abriss der Nachkriegskunst. Gewiss aber hatte Danto Recht, dass entscheidende Impulse von Warhol und selbstverständlich Duchamp ausgingen, der als „Godfather“ dieser Entwicklung – 50 Jahre nach der Entstehung des ersten Readymade und nach mehr als vier Jahrzehnten des Schweigens und Rückzugs aus dem Kunstbetrieb – 1963 in Pasadena eine viel beachtete Retrospektive mit seinen als Antikunst verstandenen Werken feierte. Noch heute – weitere 50 Jahre später – ist der Einfluss Duchamps auf die postmoderne Objektkunst der jüngsten Künstlergeneration allgegenwärtig.
Auf der einen Seite steht eine politisierte „kritische Kunst“, die mit Interventionsstrategien und Dekonstruktionstechniken den Kunstbetrieb unterläuft. Es geht ihr um die Rahmenbedingungen künstlerischer Praxis mit dem Ziel einer Humanisierung der Gesellschaft. Feminismus, Gender, Aids, Urbanität, Postfordismus und Postkolonialismus sind zentrale Fragen, die auf den heute weltweit fast 100 Biennalen und Triennalen verhandelt werden. Die Documenta 10 unter Catherine David (1997) und die Documenta 11 unter Okwui Enwezor (2002) waren Plattform der kritischen Kunst. Die Ausrichtung und Organisation bestimmt ein Netzwerk international organisierter Kuratoren. Es kursiert das böse Wort des Kuratismus als neue Kunstform mit Impresarios und Ideenvirtuosen, die eingeschüchterte Künstlerindividuen zu lebenden Argumenten und Beweisträgern ihrer Ideen werden lassen.
Die von vielen Kritikern im Vorfeld der Documenta 12 begrüßte Kampfansage gegen den Kunstmarkt kam nicht von ungefähr. Es ist der Kunstmarkt, dem bis heute eine entscheidende Rolle auf die weitere Entwicklung zukam. Ausgangspunkt waren die 80er Jahre, einer Ära, als die konservativen Führer Ronald Reagan, Margaret Thatcher und Helmut Kohl das politische Weltklima bestimmten. Nach langen Jahren kunsttheoretischer Diskurse war unter dem Motto „Hunger nach Bildern“ wieder Malerei – Flachware im Jargon des Kunstmarktes – angesagt. Die Kunst des Neoexpressionismus, der Transvanguardia, der „Jungen Wilden“, der „Picture Generation“ und der Appropriation Art trieben die Preise in bis dahin nicht für möglich gehaltene Höhen. Künstler wie Richard Prince, Jeff Koons und Haim Steinbach wurden zu Protagonisten einer Bewegung, die alle Skrupel gegen eine kommerzielle Verwertung von Kunst aufgab und sich offensiv auf den Kunstmarkt einließ. Kein Gedanke mehr an die elitäre Vorstellung eines künstlerischen Œuvres als Lebenswerk. Bad Painting, Deskilling und schnelle Karrieren nach dem Vorbild des Showbiz bestimmten die Kunstszene. „Jeder Mensch ist ein Künstler“, lautete noch Anfang der 70er Jahre Joseph Beuys´ Credo einer romantischen Verbindung von Kunst und Leben. „Jeder Künstler ist ein Mensch“, war kaum zehn Jahre später die lakonische Antwort des Punk-Künstlers Martin Kippenberger.
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06.02.2015
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