Pionierfamilie der Gründerzeit
Kunst & Antiquitäten, Nachlass Maybach
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Auktion09.07.2016
1865 war Wilhelm Maybachs Lehrzeit zu Ende, im gleichen Jahr übernahm Gottlieb Daimler die Firma, und er wurde schon bald Daimlers Hauptansprechpartner im Konstruktionsbüro. Maybachs weiterer Weg bis hin zur eigenen Automarke Maybach ist allseits bekannt.
Auch der jüngere Heinrich Christian hatte eine große zeichnerische Begabung, aber er kam erst einmal in die Schreinerei zur Ausbildung. Schreiner war ja schon der Vater gewesen, aber Heinrichs Interesse war breiter und so muss er als Geselle mit Sicherheit einige Jahre lang in Frankreich gearbeitet und gelernt haben, bis er sich 1881 – mit 33 Jahren – in Karlsruhe selbständig machte mit einer Spezialwerkstätte, die es in dieser Form in Deutschland bisher so gut wie gar nicht gab. "Heinrich Maybach – Werkstätte für Marketerie" firmierte das Unternehmen, das in Karlsruhe ansässig wurde, nachdem er 1875 die aus Karlsruhe stammende Auguste Heckmann geheiratet hatte. Sich selbst bezeichnet er in der Zwischenzeit nicht mehr als Schreiner, sondern als "Bildhauer" oder "Holzschnitzer". Denn das, was er machte, "Marketerie", war eine Holz-Dekorationstechnik, die in Deutschland bislang kaum bekannt war, das zeigt schon die Eindeutschung des Begriffes aus dem französischen "Marqueterie." Das sind figurale Holzarbeiten ähnlich einer Intarsienarbeit, aber doch technisch verschieden. Während aber bei der Intarsientechnik dünne Holzplättchen in das wertvolle Vollholz eingearbeitet werden, fügt der Kunsthandwerker bei der Marketerie Holzscheiben, bisweilen auch Metallteile furnierartig zusammen. Die entstehenden Bilder, geometrische Dekore, Darstellungen aus der Natur wie Blumen, Blätter o.ä., auch Menschen, ja richtige Szenen werden komplett vorgefertigt und dann auf einfaches, günstiges Blindholz aufgeleimt. Hierbei sind die verschiedenen Holzfarben wichtig, die Licht und Schatten darstellen können, aber auch Hintergründe und eine geradezu dreidimensionale Tiefe. Voraussetzung für solche Arbeiten sind neben der Schreinerausbildung eine gute zeichnerische Begabung, um die Entwürfe entsprechend zu skizzieren. Und diese Begabung hatte Heinrich Maybach, ebenso wie sein Bruder.
Die Firma muss in Zeiten des Historismus sehr schnell erfolgreich gewesen sein. Denn auch die Söhne Eugen und Karl haben den Betrieb übernommen und weitergeführt, und auf ihrer Visitenkarte liest man, was die Firma angeboten hat. "Werkstätte für Marketerie - Eingelegte Qualitätsarbeiten - Intarsien in allen Stilrichtungen - für den gesamten Innenausbau, Möbel, Firmenschilder, Holzbuchstaben, Holzmosaikbordüren, Wandschmuck, Kreuzwege". Das letzte Wort bezieht sich auf einen figurenreichen 14-bildrigen Kreuzweg, den die Firma für eine Karlsruher Kirche nach Original-Gemälden von Prof. Gebhard Fugel erstellte. Die schwarzweiß-Fotos davon, ebenso die Darstellung zahlreicher Heiliger finden sich im Nachlass der Enkelin, den das Konstanzer Auktionshaus Karrenbauer in der 263. Kunstauktion am 9. Juli 2016 versteigert. Aus Platzgründen wird ein Teil der Möbel und Intarsienbilder in der 264. Kunstauktion am 1. Oktober angeboten und versteigert.
Die gesamten Ergebnisse kommen der Deutschen Kriegsgräberfürsorge zugute. Zentrale Positionen dieses Nachlasses sind elf verschiedene Möbel, u.a. ein faszinierend interessant dekorierter Kabinettschrank in dessen Inneren wir einen Zettel fanden: "Meisterstück von Heinrich Maybach um 1875". Daneben weitere Salon-Möbel, einmal mit dem Text "Eigner Herd ist Goldes wert" sowie ein eintüriger Schrank, datiert 1879, Halbschränke, und ein aufwendig gestaltetes Schreibmöbel, dazu ein Tisch mit einer Bank usw. Hier kann man die Marketeriearbeiten genau betrachten: auf der Vorderseite ist der Dekor hell auf dunklem Grund, auf der Rückseite gleicher, aber dunkler Dekor auf hellem Grund. Dazu kommen zwei sehr interessant intarsierte Wand- bzw. Kaminuhren, ein Thermometer/Barometer u.a. Sämtliche Objekte stammen natürlich aus eigener Produktion; es sind wohl Einzelstücke und sie repräsentieren geradezu vorbildlich die Qualität, aber auch die breiten dekorativen Möglichkeiten der Marketerie im Historismus. Da gibt es zahlreiche dekorative, geometrisierende Kassettenauflagen, ebenso figurative Darstellungen, auch Schnitzarbeiten, natürlich im typischen, reich geschmückten Historismus der Jahrhundertwende, der bisweilen in den Jugendstil übergeht. Solch spezielle Einzelmöbel sind recht selten und waren bislang kaum zuzuordnen. Sie sind sämtlich in gutem Zustand. Aber die Karlsruher Firma produzierte auch Marketerie-Wandbilder im gleichen Stil wie die Darstellungen des Kreuzweges. Auch davon gibt es etwa zehn verschiedene Objekte: Portraits, Schwarzwaldlandschaften etc., alle gerahmt und in perfektem Zustand. Schließlich findet sich noch eine große Mappe mit etlichen Entwürfen figürlicher Art, gezeichnet vom Bruder der Erblasserin, Wolfgang Maybach, der die figurale Malerei an der Karlsruher Kunstakademie studiert hatte, aber 1944 im Krieg fiel.
Die beiden Brüder Wilhelm und Heinrich Maybach blieben das ganze Leben über in gutem Kontakt, das beweisen nicht nur die beiden einander sehr ähnlichen Firmenzeichen, beide mit den Anfangsbuchstaben der Vornamen und Namen in ovalem Rahmen, die übrigens als Stempel rückseitig auf zahlreichen angebotenen Objekten zu finden sind. Es gibt auch ein Foto, datiert 1925, auf dem die beiden Brüder ihre Ehefrauen sowie die Söhne und Enkel zu sehen sind, rückseitig datiert und die einzelnen Personen bezeichnet.
Der gesamte Nachlass bietet einen guten Einblick in die Gründerzeit und die Stilepoche des Historismus, die Zeit der ersten deutschen Kaiser nach der Gründung des deutschen Reiches 1871.
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09.07.2016Auktion »
263. Kunst- und Antiquitäten-Auktion am 9. Juli 2016 um 14 Uhr.