Paul Gauguin 1889 Weltausstellung
All diese verwirrenden, mühsamen letzten Jahre führen aber letztlich doch zum Heranreifen dessen, was in Gauguin selbst ist. Seine steten Bemühungen um die Vereinfachung finden nun in der „Schule von Pont-Aven“ Ausdruck. Sérusier, den Gauguin in Pont Aven kennengelernt hat, bringt die neue Botschaft in die Pariser Académie Julian. Gauguins Theorie der „Synthese der Formen“ (S. 36) findet Anhänger in Bonnard, Vuillard und Ranson. Gauguin sieht die Aufgabe der Kunst nicht in der Wiedergabe der Natur, sondern im Gegenteil in der Neuschaffung der Natur; es ist die Empfindung des Künstlers, die zählt und nicht die „materielle Wahrheit“. So wendet sich Gauguin nicht nur gegen den Akademismus, sondern auch und vor allem gegen den Impressionismus, der zu diesem Zeitpunkt gerade die lang ersehnte Anerkennung gefunden hat. Gauguin geht es nicht darum, den momentanen Augenblick, die momentane Wahrnehmung wiederzugeben. Er will vielmehr das zeigen, was bleibt, wenn man durch das Augenblickliche hindurchgeht. Es ist nicht der kleine Farbtupfen, er will das Große zeigen, das Rot, das ihn beeindruckt hat, das Grün, das ihn berührt.
Das Jahr 1889 ist das Jahr der Weltausstellung, das Jahr, in dem unter anderem der Eifelturm entsteht. Die Stimmung ist gut und Gauguin stellt gemeinsam mit Freunden während der Weltausstellung im Café Volpini aus. Die Bilder sind mit ihren festen Umrisslinien und den großen Farbflächen nach wie vor ein Experiment. Doch zunehmend wird in der Pariser Kunstszene der „Synthetismus“ angenommen und verstanden. Gauguin genießt einerseits die Rolle des führenden Kopfes dieser Gruppe, andererseits sehnt er sich zurück in die Einsamkeit. Er träumt von einem Leben in Madagaskar und Indochina; träumt von einem Atelier in den Tropen. Gauguin versucht, Freunde zum Mitkommen zu überreden. Es scheint auch geglückt zu sein, Emil Bernard und Laval wollen Gauguin folgen. Doch letztlich macht er sich doch wieder alleine auf den Weg ins Unbekannte.
Er reist 1891 nacht Tahiti. Um die Reise zu finanzieren, verkauft er dreißig Bilder. Gauguin ist enttäuscht bei seiner Ankunft in Tahiti. Die europäischen Kolonialbeamten erlebt er schlimmer als die Europäer in Europa. Als Prinz Pomaré V. stirbt, befürchtet Gauguin gar den Untergang er Tradition der Maori. Er begibt sich ins Landesinnere, um den Eingeborenen näher zu sein, ihr Leben teilen zu können. Er lebt sich rasch ein, erwirbt eine Hütte und findet eine Gefährtin. Gauguin ist glücklich über dieses von der Zivilisation befreite Leben. Er lebt im Natürlichen, frei von Sorgen der zivilisierten Welt. So kann sich auch seine Kunst wieder frei entwickeln. Seine Bilder zeigen volle Formen und volle Farben. Obwohl sich die Elemente nahtlos aneinander fügen, scheint das Gemälde doch auch von einem Luftzug durchzogen. Betrachtet man Gauguins Bilder, so scheint es, als ob man die wiedergegebene Natur betrachten würde; bei noch genauerem Hinsehen bemerkt man erst, dass zum Beispiel die Banane rot und der Baum blau ist. „Keine Farbe entspricht der Natur-Wirklichkeit, aber die Beziehung zwischen den Farben sind von strenger Gesetzlichkeit, so dass man gegenüber dieser „Richtigkeit“ zunächst gar nicht merkt, dass die andere Richtigkeit nicht besteht. Der Grad von Gauguins Entfremdung lässt sich erst bei aufmerksamer Analyse erkennen.“ (S. 58)
Da seine Gesundheit leidet, er immer schwächer wird und sich zunehmend alt fühlt, tritt er im August 1893 wieder die Rückreise nach Frankreich an. Die Geldnot bleibt immer an seiner Seite. Gauguin lebt bis 1894 in Paris, um dann nach Belgien, Kopenhagen und schließlich wieder in die Bretagne zu gehen. In Kopenhagen besucht er sogar seine Frau. Aber trotz aller Bemühungen gelingt es ihm nicht, sich der zivilisierten Welt anzupassen. Wahrscheinlich auch deshalb malt er in der Bretagne Bilder mit Motiven aus Tahiti.
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Quelle: „Gauguin“, Raymond Cogniat, Galerie Somogy, bei Bertelsmann, 1957, Bildnachweis: © www.oel-bild.de u. © reisserbilder.at, Autor: Andreas Faerber
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