BUCH: Gunter Damisch - Herzort . Augfeld | Sonderedition @ Galerie Ernst Hilger
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Buchtipp19.03.2020
Mit Blick auf die Fotografien und Werke von Damisch könnte man eine andere These extrahieren, die dafür plädieren würde, dass die Begriffe von Natur und Kultur erst den Unterschied etablieren, den es dann (ökologisch oder künstlerisch) zu überwinden gelte, und dass jede Beziehung zwischen den beiden nur die Variable einer zugrundeliegenden Auf- und Zuteilung bedeuten würde, ohne diese selbst in Frage zu stellen – sie ohne einen Unterschied zu machen mit verschiedenen Möglichkeiten des Agierens gleich zu behandeln. Das Motiv des Gärtners, das in dem Buch genauso wie in vielen Interviews von Damisch immer wieder auftaucht, kennt Natur und Kultur nur als Hybrid, weder das eine noch das andere, es zeichnet den Gärtner nur als Metapher für ein Handeln, das keinen Unterschied macht, um einzig einer Sensibilität für das Metaphorische selbst Raum zu geben. Die Titel seiner Arbeiten sind Hinweis genug, den Wörtern und ihren Bedeutungsgrenzen auch sprachkritisch gegenüberzutreten und in der Sprache vor allem ihr metaphorisches Moment auszugraben, den Zustand, in dem jeder Begriff nur als Bild einer Bedeutung gelesen werden kann – Sprache als Sprachbild, das Bild von Natur und die Natur eines Bildes erscheinen selbst unausweichlich metaphorisch. Wenn die Abgüsse von Zapfen, Zweigen, Muscheln und Figuren zu einem Ensemble vereint werden, dann verlieren die Zuteilungen zu einem Begriff von Natur oder Kultur ihren Sinn. Die Motive emanzipieren sich von ihrer Herkunft genauso wie von einer begrifflich und sprachlich zugeordneten Identität. Sie werden gleich behandelt, so verschieden sie sind. Sie skizzieren das Paradoxon, dass es einen großen Unterschied macht, keine Unterschiede zu machen. Die Bedeutung dieser Praxis liegt darin, dass die Bedeutung von ihrem Gegenstand extrahiert wird, entkernt wird von der Sprache, die diese definieren will. Was von der Bedeutung bleibt ist nur mehr die Geste des Hindeutens, des Andeutens, eines Zeigens, das die Aufmerksamkeit auf etwas lenken will, oder genauer: das auf die Aufmerksamkeit selbst hinweisen will, auf ein Plädoyer für die Aufmerksamkeit, auf ein Hybrid aus Bemerken, Sich Merken und Merkmalen. Es gibt ein Recht darauf, bemerkt zu werden, ohne einen Unterschied zu machen, wie marginal oder bedeutsam Verschiedenes erscheinen mag, es gibt die Sensibilität dafür, sich das Bemerkte zu merken, sich einzuprägen, welche Merkmale sich ausprägen und ausdrücken lassen. Diese Praxis arbeitet an einer Übersetzung von Bedeutung als substantivierter Form in ein Bedeuten, in das Performativ, in den Akt eines Herstellens von Bedeutung, die noch nicht und nie final definiert werden soll – nicht an ihre Fines, an ihre Grenzen gebracht werden soll. Wenn dadurch die vermeintlichen Grenzen zwischen den Dingen, Wörtern oder Bedeutungen grenzwertig werden, wird sich die Grenze selbst zur Grenze – zu einer Grenze, die an ihre eigenen Grenzen stößt. Die Entscheidung und Form, mit der Damisch keinen Unterschied macht zwischen den Bedeutungen, provoziert einen unstillbaren Bedeutungskollaps, ein Kollabieren der Grenzen…auch jener Grenzen, die zwischen den Vorstellungen von guter und schlechter Kunst gezogen werden, der Kunst, die bemerkt oder unbemerkt entsteht, für marginal oder zentral gehalten wird. Es macht einen großen Unterschied, keine Unterschiede zu machen, sich mit der gleichen Aufmerksamkeit den Details zuzuwenden. Diese Entscheidung hat ihn auch zu einem wundervollen Lehrer, zu einem bedeutenden Professor an der Akademie der bildenden Künste werden lassen, der in der Lage war, im Horizont des Verschiedenen keinen Unterschied zu machen, verschiedene Medien, Disziplinen und Qualitäten in seiner Klasse genauso zuzulassen wie dazu zu ermutigen, auf die Entscheidung zuzugehen, die keinen Unterschied macht. Freidegg, Wien, Morcheln, Gräser, Pilz und Pinsel…diese Publikation ermöglicht entschieden, der Entscheidung für einen Begriff von Kunst nachzugehen.
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