Frankfurt
SCHWARZE ROMANTIK. VON GOYA BIS MAX ERNST
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Ausstellung26.09.2012 - 20.01.2013
Unter den deutschen Künstlern – denen der nächste große Abschnitt der Ausstellung gilt – weist vor allem Carl Blechen eine Nähe zu Goya und Delacroix auf. Seine Gemälde zeugen von der Lust am Schauerlichen. Das Faible für den in Deutschland als „Gespenster-Hoffmann“ umstrittenen Autor E. T. A. Hoffmann führte Blechen zu Darstellungen wie Pater Medardus (Alte Nationalgalerie, Berlin) – einem Porträt des wahnsinnigen Protagonisten der Elixiere des Teufels. Der Künstler war mit seiner Vorliebe für düster-verstörende Motive in Deutschland nicht allein. Auch bei Caspar David Friedrich finden sich Elemente des Schauerlichen: Friedhöfe, offene Gräber, verlassene Ruinen, wie von Geisterhand gelenkte Schiffe, einsame Schluchten und Wälder durchziehen sein Œuvre. Nicht nur in den Trauerszenen aus dem Skizzenbuch der Kunsthalle Mannheim ist die Todesthematik omnipräsent. Friedrich ist innerhalb der Ausstellung weiterhin mit dem großformatigen Gemälde Mond hinter Wolken über dem Meeresufer aus der Hamburger Kunsthalle und Kügelgens Grab aus den Lübecker Museen sowie mit Schiff auf hoher See mit vollen Segeln, einem seiner letzten in Privatbesitz befindlichen Gemälde, prominent vertreten.
Friedrichs Bilder sind von einer lastenden Stille durchdrungen. Eine Haltung, die in ihrer Kompromisslosigkeit Ideen des Symbolismus antizipiert, dem das folgende Kapitel des Ausstellungspanoramas gewidmet ist. Die Sprachlosigkeit wurde von diesen „Neuromantikern“ zur Idealform menschlicher Kommunikation stilisiert, die zu tiefen, grundlegenden Einsichten führe. Odilon Redons Hauptwerk Geschlossene Augen, eine Leihgabe aus dem Pariser Musée d’Orsay, formuliert diese Überzeugung eindrucksvoll. Auch in Gemälden von Arnold Böcklin, James Ensor, Fernand Khnopff oder Edvard Munch wird diese Sichtweise manifest. Doch wie schon bei den Romantikern stehen diesen zurückhaltenden Werken Arbeiten gegenüber, die Ängste und unterdrückte Leidenschaften ungebremst zum Ausdruck bringen und in ihrer Radikalität noch heute irritieren. Während Gustave Moreau, Max Klinger, Franz von Stuck und Alfred Kubin zum kunstgeschichtlichen Kanon gehören, werden an dieser Stelle der Schau auch Künstler gezeigt, die es in Deutschland noch zu entdecken gilt: Jean-Joseph Carriès, Paul Dardé, Jean Delville, Julien-Adolphe Duvocelle, Léon Frédéric, Eugène Laermans und Lucien Lévy-Dhurmer.
Den Abschluss der Präsentation markiert der von André Breton begründete Surrealismus. Breton motivierte Künstler wie Ernst, Brassaϊ oder Dalí, aus dem Reservoir des Unbewussten ihre seltsamen Bildwelten zu schöpfen, die er als Sieg der Fantasie über die „faktische Welt“ feierte. Vehement forderte Max Ernst, „die Grenzen zwischen der sogenannten Innenwelt und der Außenwelt“ zu verwischen.
Deutlich wird dies in seinen Waldbildern, von denen das Städel Museum in seiner Ausstellung vier Beispiele zeigen kann, darunter das Hauptwerk Vom nächtlichen Anblick der Porte Saint-Denis ausgelöste Vision (Privatbesitz). Der Kunsthistoriker Carl Einstein sah in den Surrealisten die Nachfolger der Romantiker und prägte den Begriff der „romantischen Generation“. Trotz dieser historischen Bezugnahme verharrten die Surrealisten keineswegs im Blick zurück. Im Gegenteil: Keine andere Bewegung war so offen für die neuen Medien; Fotografie und Film waren absolut gleichberechtigt. Besonders der Film war im 20. Jahrhundert – neben der Literatur – zum zentralen Schauplatz der schwarzen Romantik geworden. Hier hatten das Böse, der Kitzel der Angst genau wie die Lust am Schrecken und Abgründigen ihr Zuhause gefunden. In Kooperation mit dem Deutschen Filmmuseum können erstmals innerhalb einer Ausstellung im Städel Ausschnitte von Filmklassikern wie Frankenstein (1931), Dracula (1931), Faust (1926), Vampyr (1931/32) oder Der Fuhrmann des Todes (1921) gezeigt werden.
Das von einem umfangreichen Katalog begleitete Ausstellungsprojekt präsentiert das Romantische als Geisteshaltung, die ganz Europa erfasste und sich weit über das 19. Jahrhundert hinaus fortsetzte. Wie für alle Epochenbezeichnungen gilt auch für die Romantik, dass der Begriff lediglich eine Hilfskonstruktion ist, der nicht die äußeren Merkmale eines Kunstwerks definiert, sondern eine innere Haltung der Künstler beschreibt. Der titelgebende Begriff „schwarze Romantik“ lässt sich nicht bis zu seinen Ursprüngen zurückverfolgen, hat aber – wie die Romantik überhaupt – seine Anfänge in der Literaturwissenschaft. Im Deutschen ist die Bezeichnung eng mit dem Anglistikprofessor Mario Praz und dessen Veröffentlichung La carne, la morte e il diavolo nella letteratura romantica von 1930 verknüpft, die 1963 auf Deutsch als Liebe, Tod und Teufel. Die schwarze Romantik erschien.
Das Projekt wird von einem umfassenden Rahmenprogramm begleitet. Passend zum Ausstellungsthema findet am 2. November 2012 mit Kunst, Musik und Bar eine lange Nacht zur „Schwarzen Romantik“ statt.
Die Ausstellung „Schwarze Romantik. Von Goya bis Max Ernst“ wird nach ihrer Präsentation in Frankfurt vom Pariser Musée d’Orsay übernommen (4. März bis 9. Juni 2013).
Kurator: Dr. Felix Krämer, Leiter der Kunst der Moderne, Städel Museum Projektleitung: Ingo Borges, Städel Museum
Ausstellungsarchitektur: Andreas Spiess (Dresden)
Katalog: Zur Ausstellung erscheint im Hatje-Cantz-Verlag ein umfangreicher, von Felix Krämer herausgegebener Katalog mit Beiträgen von Roland Borgards, Ingo Borges, Claudia Dillmann, Dorothee Gerkens, Johannes Grave, Mareike Hennig, Hubertus Kohle, Felix Krämer, Franziska Lentzsch, Manuela B. Mena Marqués und Nerina Santorius. Deutsch, ca. 305 Seiten, 34,90 €. Weitere Publikationen: Zur Ausstellung erscheint ein Begleitheft (ab 12 Jahren) sowie im Hatje Cantz Verlag ein Hörbuch in der Reihe „Kunst zum Hören“.
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