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Manufaktur des Klangs. 2000 Jahre Orgelbau und Orgelspiel

Statussymbol Orgel
Großangelegte Orgelbauprojekte dienten im Barock der Demonstration von Reichtum und Macht, auch innerhalb der Kirche. Es entstanden immer imposantere und prächtigere Instrumente. In Europa bildeten sich jetzt regionale Baustile heraus. Neben den monumentalen Kirchenorgeln verbreiteten sich auch die kleineren Orgeltypen weiter. Sie wurden vom Adel und dem Bürgertum als repräsentative Hausinstrumente geschätzt. Davon zeugen eine ausgestellte Prozessionsorgel, die zu den wertvollsten erhaltenen Trage-Orgeln des italienischen Barock gehört, und eine Kabinettorgel aus der Werkstatt von Johannes Stephanus Strümphler (1736–1807) in Amsterdam. Ein echter Blickfang aus der Zeit des Rokoko ist das mit vergoldeten Schnitzereien versehene Orgelpositiv des böhmischen Instrumentenmachers Johann Rusch (1728–1791). Seltene originale historische Quellen dokumentieren die Entwicklung des Orgelbaus in dieser Zeit. Zu sehen sind eines von weltweit zwei erhaltenen Exemplaren des „Spiegel der Orgelmacher und Organisten“ von Arnolt Schlick (vor 1460–nach 1521) von 1511, die barocke Instrumentenkunde „Syntagma musicum“ von Michael Praetorius (1571–1621), das umfassende musiktheoretische Werk „Musurgia universalis“ des Universalgelehrten Athanasius Kircher (1602–1680) sowie das mit aufwendigen Stichen illustrierte orgelbauerische Standardwerk „L'Art du facteur d'orgues“ von Dom François Bedos de Celles (1709–1779) aus dem 18. Jahrhundert.

Arp Schnitger und der norddeutsche Orgelbau
Hamburg entwickelte sich in dieser Zeit zu einer der bedeutendsten Orgelmetropolen Europas. Die vermögende Kaufmannschaft beauftragte die besten Orgelbauer und gönnte sich wahre Luxusorgeln. Der Orgelbauer Arp Schnitger markierte mit seinen ausgereiften, klangmächtigen Instrumenten den Höhepunkt der barocken norddeutschen Orgelbautradition. Seine Werkstatt baute insgesamt 170 Orgeln, von denen heute noch 47 erhalten sind. Seine 1687 fertig gestellte Orgel der Hamburger St. Nikolai-Kirche, die beim Stadtbrand 1842 zerstört wurde, war bei ihrer Fertigstellung mit 67 Registern und über 4000 Pfeifen die größte Orgel der Welt und machte Schnitger überregional bekannt. Heute ist die 1693 errichtete, mehrmals restaurierte Orgel in der Hamburger Hauptkirche St. Jacobi mit 43 Registern die größte klingende Barockorgel des norddeutschen Typs. Ein früherer Spieltisch, dessen Registerzüge die geschnitzten Porträts bekannter Orgelfreund*innen aus der Zeit zieren, erzählt einen Teil ihrer bewegten Geschichte.

Die „deutsche Orgelbewegung“ um Hans Jenny Jahnn
Nachdem sich bereits Albert Schweitzer (1875–1965), der ausgebildeter Organist war, vor dem Ersten Weltkrieg für eine Neuorientierung im Orgelbau eingesetzt hatte, wurde Hamburg in den 1920er Jahren zum Zentrum einer später als „deutsche Orgelbewegung“ bezeichneten Reformbestrebens. Kopf der Bewegung war der Hamburger Schriftsteller Hans Henny Jahnn (1894–1959), der selbst auch mehrere Orgeln entwarf und sich erfolgreich für den Erhalt der Schnitger-Orgel in der Hamburger St. Jacobi-Kirche einsetzte. Diese Barock-Orgel mit ihrem „ehrlichen“, hellen Klang war für Jahnn ein Gegenentwurf zum damals vorherrschenden „symphonischen“ Orgeltypus, dessen romantischen Klang er als zu überladen, dunkel und opulent empfand. Ein eigens für die Ausstellung produzierter Film lässt die von Jahnn entworfene Orgel aus der Winterhuder Heinrich-Hertz-Schule im MKG erklingen.

Faszination Orgeldesign
Bis heute hat die Orgel nichts von ihrer Faszination eingebüßt, weltweit entwerfen Orgelbauer*innen, Architekt*innen und Designer*innen immer wieder spektakuläre Instrumente. Eine Fotowand in der Ausstellung präsentiert ausgewählte Orgelbauten aus Geschichte und Gegenwart, die die enge Beziehung des Orgelbauhandwerks zu den Disziplinen Design und Architektur veranschaulichen. Prominentestes Beispiel dafür ist wohl die aufregende Gestaltung des Stararchitekten Frank Gehry (*1929) für die 2004 fertiggestellte Orgel der Walt Disney Concert Hall in Los Angeles/USA. Ob traditionell oder futuristisch – die unterschiedlichen Konstruktionsweisen dienen auch der Inspiration der Besucher*innen, die sich mithilfe einer VR-Brille selbst als Orgelbauer*innen versuchen können. Die Tatsache, dass Orgeln fast immer Unikate sind, die für eine ganz bestimmten Raum als Teil einer Architektur konzipiert sind, setzt den Orgelbauermeister*innen der Gegenwart (fast) keine Grenzen. Das beweisen eindrucksvoll spektakuläre Orgelbauten der jüngeren Vergangenheit, wie die mit rund 5000 Pfeifen ausgestatteten Orgel der 2016 eröffneten Elbphilharmonie, die die Gäste in einer medialen Präsentation rund um das faszinierende Instrument in Hamburgs berühmtesten Konzerthaus erkunden können.

Leihgeber*innen: Catalina Vicens, Basel | Staatsbibliothek zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Berlin | Johannes Klais Orgelbau GmbH & Co. KG, Bonn | Marienbibliothek Halle, Halle an der Saale | Staatsarchiv der Freien und Hansestadt Hamburg | Elb-philharmonie Hamburg | Hans Henny Jahnn Verein e. V., Hamburg | Hauptkirche St. Jacobi Hamburg | Orgelstadt Hamburg e. V. | Römerkastell Saalburg, Bad Homburg | Georg Ott, Kirchensittenbach | Musikinstrumentenmuseum der Universität Leipzig | Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie, Mainz | Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland | Aug. Laukhuff GmbH & Co. KG, Weikersheim | Winold van der Putten, Winschoten






  • 05.07.2019 - 08.11.2019
    Ausstellung »

    ÖFFNUNGSZEITEN
    Dienstag bis Sonntag: 10-18 Uhr
    Donnerstag: 10-21 Uhr
    Donnerstag an oder vor Feiertagen: 10-18 Uhr
    Kassenschluss jeweils 30 Minuten vor Schließung des Museums.



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  • Abb.: Hans Sebald Beham (1500–1550), Die Musik aus der Folge der sieben freien Künste, Kupferstich, Frankfurt am Main, zwischen 1530 und 1550, MKG
    Abb.: Hans Sebald Beham (1500–1550), Die Musik aus der Folge der sieben freien Künste, Kupferstich, Frankfurt am Main, zwischen 1530 und 1550, MKG
    Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg